In einem Beschwerdeverfahren (einstweilige Verfügung) hatte das OLG Frankfurt (Beschluss vom 21.09.2020, 6 W 99/20) Gelegenheit sich gleich mit mehreren für den Internethandel interessanten Thematiken zu befassen. Zum einen ging es darum, ob der Unterlassungsanspruch (so die Auffassung der Vorinstanz) auf die Handelsplattform, auf der sich der Wettbewerbsverstoß ereignet hat, zu beschränken ist. Zum anderen ging es um die Reichweite der Hinweispflicht in § 8 Altölverordnung (AltölV) betreffend die Altölannahmestelle und den Umfang der diesbezüglichen Informationen.
I. Sachverhalt
Eine Onlinehändlerin für Schmierstoffe aller Art beanstandete diverse Wettbewerbsverstöße einer Mitbewerberin, die mit Motorenöl handelt, auf der Handelsplattform eBay. U. a. ging es dabei um Verstöße gegen die AltölV.
II. Verfügungsverfahren vor dem LG Frankfurt am Main
Die sich unlauter benachteiligt fühlende Händlerin beantragte beim LG Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen ihre Mitbewerberin, die weitgehend erlassen wurde (Beschluss vom 06.08.2020, Az. 3-6 O 31/20). Zurückgewiesen wurde der Verfügungsantrag, soweit sich das begehrte Verbot über die Plattform eBay hinaus allgemein auf „Internetpräsenzen“ beziehen sollte und wegen der Beanstandung fehlender Öffnungszeiten der Altölannahmestelle.
III. Beschwerdeverfahren vor dem OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 21.09.2020, 6 W 99/20) fasste auf Beschwerde der Antragstellerin hin den Verfügungsantrag – unter Erweiterung auf jegliche Internetpräsenzen – neu und untersagte der Antragsgegnerin bei Vermeidung von Ordnungsmitteln, es
„… zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Fernabsatzhandel eine Internetpräsenz zu unterhalten und / oder Schmierstoffe (insbesondere Motoröl) zu verkaufen und / oder verkaufen zu lassen und / oder zu vertreiben und / oder vertreiben zu lassen und / oder zu bewerben und / oder bewerben zu lassen und dabei
1. unter die Altölverordnung fallende Artikel zu bewerben und / oder zu vertreiben, ohne einen Hinweis auf eine Altölannahmestelle mit geographischer Anschrift zu geben und / oder einen solchen Hinweis nicht derart präsent einzublenden, dass ein Endverbraucher diesen nicht zwingend im Rahmen eines Bestellvorgangs zur Kenntnis genommen haben muss, wie in Anlage K2 und K3 ersichtlich geschehen; …“
IV. Unterlassungsanspruch besteht ohne Beschränkung auf eine bestimmte Internetplattform
Das OLG Frankfurt widersprach der Sichtweise der ersten Instanz, dass sich der Antrag auf die Plattform beziehen müsse, auf der die Antragsgegnerin gehandelt habe (eBay). Das Beschwerdegericht wies auf die Rechtsprechung des BGH hin:
„Die von einer konkreten Verletzungshandlung ausgehende Wiederholungsgefahr besteht nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern auch für alle „im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen“ (ständige Rspr. – vgl. BGH GRUR 2010, 749 Rn 42 – Erinnerungswerbung im Internet). In diesem Umfang gilt auch ein gerichtliches Verbot, auch wenn es auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist (BGH GRUR 2010, 749 Rn 42, 45 – Erinnerungswerbung im Internet). Allerdings kann sich der Antrag auch auf im Kern gleichartige Verletzungshandlungen beziehen. Dementsprechend sind bei der Formulierung des Antrags gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern darin das Charakteristische (der „Kern“) der konkreten Verletzungsform aus der begangenen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (ständige Rspr. – vgl. BGH GRUR 2008, 702 Rn 55 – Internetversteigerung III; BGH GRUR 2010, 253 Rn 30 – Fischdosendeckel; BGH GRUR 2010, 454 Rn 12 – Klassenlotterie; BGH GRUR 2011, 433 Rn 26 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung).“
Gemessen an diesen Grundsätzen war das OLG Frankfurt der Auffassung, dass das von der Antragstellerin begehrte Verbot sich im Rahmen einer zulässigen Verallgemeinerung hält. Das Typische der angegriffenen Verletzung sei durch die Ausgestaltung von Warenpräsentationen auf Internet-Plattformen geprägt und bei anderen Plattformen ergäben sich insofern im vorliegenden Fall auch keine Besonderheiten, die eine Beschränkung auf eBay rechtfertigen würden.
Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Denkbar sind zwar Wettbewerbsverstöße, die nur für eine bestimmte Handelsplattform in Frage kommen. Das wäre z. B. der Fall, wenn es um Formulierungen in der Amazon A-Z Garantie oder Formulierungen in einer Plattform-spezifischen AGB-Klausel geht. Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die Anforderungen beim Verkauf von Motoröl sind bezogen auf § 8 AltölV für alle Plattformen sowie den eigenen Webshop gleich. Das galt im Übrigen auch für die weiteren Wettbewerbsverstöße, um die es ging (Werbung mit Preisvorteilen, widersprüchliche Versandzeitangaben, Werbung mit Selbstverständlichkeiten, Fehler bei der Widerrufsbelehrung, fehlerhafte Impressumsangaben).
Das Ergebnis des OLG Frankfurt entspricht zudem der Rechtsprechung zum Umfang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Auch für den Unterlassungsvertrag sind die Kernbereichsgrundsätze anzuwenden. Daher wäre eine Unterlassungserklärung, die dahinter zurückbleibt, im konkreten Fall also eine solche, die sich nur auf eine bestimmte Plattform bezieht, nicht annahmefähig. Sie würde die Wiederholungsgefahr nicht ausräumen (siehe z. B. LG Itzehoe, Beschluss vom 22.01.2018, Az. 5 HK O 76/17 – gesamter Fernabsatz, nicht nur eBay; LG Leipzig, Beschluss vom 20.02.2018, Az. 04 HK O 289/18 – alle Plattformen und Printmedien, nicht nur DaWanda; LG Bielefeld, Urteil vom 26.06.2018, Az. 17 O 36/18 – alle Plattformen, nicht zur DaWanda; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.07.2018, Az. 3-10 O 77/18 – gesamter Fernabsatz, alle Plattformen, nicht zur DaWanda: LG Hagen, Urteil vom 19.12.2018, Az. 21 O 103/18, nicht nur eBay).
In einer früheren Entscheidung hatte das OLG Frankfurt (Beschluss vom 25.01.2016, Az. 6 W 1/16) eine auf das (gesamte) Internet beschränkte Unterlassungserklärung als nicht ausreichend angesehen. Im konkreten Fall ging es um unlautere Werbeaussagen, die in jedweder Form im geschäftlichen Verkehr, nicht nur im Internet, zu unterlassen sind. So hatte es auch der Unterlassungsgläubiger gefordert (siehe dazu unseren Beitrag „Unterlassungserklärung mit Beschränkung auf das Internet ist nicht annahmefähig“). Im Falle des Ölhändlers war die Begrenzung auf eine „Internetpräsenz“ jedenfalls bezüglich des § 8 AltölV gewollt, weil dieser – auf das Internet bezogen – eine Pflicht zur Mitteilung der Öffnungszeit der Altölannahmestelle begründen wollte. Bei anderen Verstößen, z. B. der falschen Widerrufsbelehrung, wäre durchaus eine Erweiterung auf „Fernabsatz“ möglich gewesen, da Fernabsatzverträge auch telefonisch oder per Email hätten geschlossen werden können.
V. Information über Ölannahmestelle ist auch im Internethandel erforderlich, aber keine Angabe von Öffnungszeiten
Den Antrag, dass die Antragstellerin auch die Öffnungszeiten der Altölannahmestelle anzugeben hat, sah das Beschwerdegericht – insofern wie die Vorinstanz – nicht als gegeben an. Das Gericht bestätigte, dass es sich bei § 8 AltölV um eine Marktverhaltensregelung (§ 3a UWG) handelt und die Vorschrift grundsätzlich auch im Internethandel mit Motorenöl gilt (so auch schon OLG Hamburg, Beschluss vom 02.06.2010, Az. 5 W 59/10; OLG Bamberg, Beschluss vom 21.07.2011, Az. 3 U 113/11; OLG Celle, Urteil vom 16.06.2016, Az. 13 U 26/16). § 8 AltölV dient neben Umweltschutzbelangen dem Schutz des Verbrauchers, denn die Regelung ermöglicht ihm die kostenlose Rückgabe der gebrauchten Motoren- oder Getriebeöle. Nach der Auffassung des Gerichts erfasst die Vorschrift jedoch nicht die Angabe der Öffnungszeiten für die Altölannahmestelle im Internethandel. Aus dem Wortlaut der Norm lässt sich eine Pflicht der Angabe der Öffnungszeiten nicht entnehmen, was nicht verwundert: Der Verordnungsgeber ist bei Erlass der Altölverordnung von einem stationären Handel mit Motorenölen ausgegangen. Ein Internethandel oder anderweitiger Versandhandel von Ölen war zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Bei einer stationären Altölannahmestelle kann der Verbraucher von üblichen Öffnungszeiten ausgehen. Weiterhin begründet das Gericht nachvollziehbar sein Ergebnis – für den Internethandel – wie Folgt:
„Für den Senat ist nicht erkennbar, warum insoweit für den Internethandel die Angabe von Öffnungszeiten relevanter sein sollte als für den stationären Handel. Im Gegenteil: Der Internet-Käufer wird von seinem Recht auf Rückgabe von Altöl in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf dieselbe Weise Gebrauch machen, wie er auch den Kauf getätigt hat, nämlich durch Versand der leeren Ölbehälter. Hierfür sind überhaupt keine Öffnungszeiten notwendig. Soweit überhaupt vorstellbar ist, dass der Online-Käufer sich zur der stationäre Rückgabestelle des Verkäufers tatsächlich körperlich begibt, wird dies nur bei der ganz geringen Zahl von Kunden in Betracht kommen, die in unmittelbarer Nähe wohnen und somit die Rückgabestation schnell erreichen können. Da der angesprochene Verkehr naheliegender Weise annehmen kann, dass – im Gegensatz zum online möglichen 24/7-Kauf – die stationären Geschäftszeiten beschränkt sind, kommt die von der Antragstellerin skizzierte Situation, in der ein Online-Käufer aufgrund der Unkenntnis über die Öffnungszeiten von einer Rückgabe abgehalten wird, so selten in Betracht, dass jedenfalls auszuschließen ist, dass der Verstoß nach § 3a UWG geeignet wäre, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern auch tatsächlich spürbar zu beeinflussen.“
Dr. Harald Schneider
RA + FA-IT Recht