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LG Kiel: Unrechtmäßiger Ordnungsgeldbeschluss der Einigungsstelle bei der IHK

Ein Beschluss des LG Kiel (vom 02.02.2021, Az. 15 HKT 1/20) sowie ein damit im Zusammenhang stehendes Urteil (vom 08.01.2021, Az. 14 HKO 59/20) geben Gelegenheit, die rechtlichen Anforderungen darzustellen, unter denen eine Einigungsstelle im Sinne des § 15 Abs. 1 UWG Ordnungsmittel verhängen kann.

I. Sachverhalt

Ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierter Verband hatte einen Onlinehändler, der mit Trockenfrüchten und Haselnusskernen handelt, wegen Wettbewerbsverstößen abgemahnt. Der Händler gab die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die vom Verband angenommen wurde. Später verstieß der Händler gegen seine Unterlassungsverpflichtung. Der Verband forderte am 04.05.2020 eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.000,00 EUR. Der Händler verweigerte die Zahlung mit der pauschalen Begründung, er sei über die Aktivlegitimation des Verbandes getäuscht worden. Dieser verfüge tatsächlich nicht über die im Abmahnschreiben genannte Zahl von Lebensmittelhändlern, die ihre Waren über eigene Webseiten und/oder Handelsplattformen vertreiben. Der Händler (Antragsteller) beantragte am 12.05.2020 bei der Einigungsstelle bei der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein (im Folgenden „Einigungsstelle“ genannt) die Durchführung des Einigungsverfahrens.

Die Vorsitzende der Einigungsstelle übersandte den Antrag am 18.05.2020 an den Verband (Antragsgegner) und forderte diesen dazu auf, diejenigen Lebensmittelhändler, die Verbandsmitglieder waren bzw. sind, in nicht anonymisierter Form mitzuteilen. Am 11.06.2020 bestimmte die Vorsitzende einen Termin für den 24.06.2020 vor der Einigungsstelle, ordnete das persönliche Erscheinen der 1. Vorsitzenden des Antragsgegners an und forderte mit Schreiben vom 17.06.2020 erneut die Vorlage der aufgelisteten Lebensmittelhändler (Mitglieder). Der Antragsgegner teilte am 19.06.2020 mit, dass er dieser Forderung nicht nachkommen werde, da sich seine Aktivlegitimation nach Abschluss des Unterlassungsvertrages nicht mehr aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, sondern nun aus dem Unterlassungsvertrag ergebe.

Im Termin am 24.06.2020 erschien der Antragsteller und für den Antragsgegner (lediglich) Rechtsanwalt R, der erklärte, gemäß § 141 ZPO vollumfänglich bevollmächtigt und vergleichsbereit zu sein. Rechtsanwalt R legte auch auf erneute Aufforderung der Vorsitzenden keine Mitgliederliste vor und verwies auf die Rechtsprechung, wonach sich die Aktivlegitimation bei einer Vertragsstrafenforderung aus dem Vertrag ergebe. Die Vorsitzende vertrat sodann die Auffassung, sie wolle eine etwaige Nichtigkeit des Unterlassungsvertrages prüfen und dazu benötige sie Angaben zu Mitgliedern. Ohne diese könne sie den Fall nicht hinreichend erörtern und verhandeln. Auf die von beiden Seiten für möglich gehaltene Einigung wollte die Vorsitzende nicht eingehen.

Der Termin blieb ergebnislos. Im Anschluss fasste die Einigungsstelle den Beschluss, gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von 600,00 EUR festzusetzen, weil die 1. Vorsitzende nicht persönlich zur Verhandlung erschienen sei und sich nicht hinreichend entschuldigt habe.

Gegen den Beschluss legte der Antragsgegner sofortige Beschwerde ein. Er begründete diese damit, die 1. Vorsitzende sei durch Rechtsanwalt R hinreichend vertreten gewesen. Eine weitere Aufklärung wäre auch durch Erscheinen der 1. Vorsitzenden nicht ermöglicht worden, weil auch diese keine Mitgliederliste vorgelegt hätte. Für die vom Antragsteller geäußerten Vermutungen läge kein konkreter Vortrag vor, so dass eine Anfechtung oder Kündigung des Unterlassungsvertrages bereits nicht schlüssig dargelegt worden sei.

Die Einigungsstelle half der Beschwerde nicht ab mit der Begründung, Rechtsanwalt R sei nicht hinreichend informiert gewesen, weil er keine Angaben zu Mitgliedern gemacht habe. Da Rechtsanwalt R nur bezüglich der Wirksamkeit der Unterlassungserklärung argumentiert habe, sei er auch nicht für den rechtlichen Komplex der Anfechtung bevollmächtigt gewesen. Die Einigungsstelle legte die sofortige Beschwerde sodann dem zuständigen LG Kiel vor. Dieses hob durch Beschluss vom 02.02.2021 den Ordnungsgeldbeschluss der Einigungsstelle auf.

Nach Einreichung der sofortigen Beschwerde (für die nach § 15 Abs. 5 S. 2 UWG die Kammer für Handelssachen des LG Kiel zuständig ist) hatte der Verband im September 2020 gegen den Händler Klage beim LG Kiel auf Zahlung von 1.000,00 EUR als Vertragsstrafe nebst Zinsen eingereicht. Der Händler hatte Widerklage erhoben auf Feststellung, dass der Unterlassungsvertrag nichtig sei. Mit Urteil vom 08.01.2021, Az. 14 HKO 59/20, wurde der Händler vom LG Kiel antragsgemäß verurteilt, seine Widerklage wurde abgewiesen.

II. Zuständigkeit der Einigungsstelle / Zuständigkeit LG Kiel

Das Einigungsstellenverfahren ist in § 15 UWG geregelt.

Durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ vom 26.11.2020 (BGBl. 2020 S. 2568) ist bezüglich der Vertragsstrafenforderungen mit Wirkung zum 02.12.2020 folgende neue Regelung in § 13a Abs. 5 UWG eingefügt worden:

„Ist lediglich eine Vertragsstrafe vereinbart, deren Höhe noch nicht beziffert wurde, kann der Abgemahnte bei Uneinigkeit über die Höhe auch ohne Zustimmung des Abmahnenden eine Einigungsstelle nach § 15 anrufen. Das Gleiche gilt, wenn der Abgemahnte nach Absatz 4 nur eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe schuldet. Ist ein Verfahren vor der Einigungsstelle anhängig, so ist eine erst nach Anrufung der Einigungsstelle erhobene Klage nicht zulässig.“

Damit ist zum einen die Unklarheit beseitigt worden, ob es sich bei den Vertragsstrafenforderungen um Fälle handelt, die in den Zuständigkeitsbereich der Einigungsstellen fallen. Zum anderen ist nach der Neuregelung eine Klageerhebung bei Vertragsstrafenstreitigkeiten generell nicht zulässig, solange ein Verfahren vor der Einigungsstelle anhängig ist.

Im Falle des LG Kiel ging es um eine Forderung, die vor dem 02.12.2020 entstanden war, sie war bereits am 04.05.2020 geltend gemacht worden.

In der seit dem 02.12.2020 geltenden Überleitungsvorschrift des § 15a Abs. 2 UWG ist ausgeführt:

„Die §§ 13 und 13a Absatz 2 und 3 sind nicht anzuwenden auf Abmahnungen, die vor dem 2. Dezember 2020 bereits zugegangen sind.“

Die neue Vorschrift zur Sperrwirkung des Einigungsstellenverfahrens (§ 13a Abs. 5 UWG) ist dort nicht erwähnt.

Das LG Kiel ist in seinem Urteil vom 08.01.2021, Az. 14 HKO 59/20, darauf nicht eingegangen, sondern hat sich im Ergebnis zutreffend auf die unverändert fortgeltende Vorschrift des § 15 Abs. 10 S. 4 UWG gestützt:

„Ist ein Verfahren vor der Einigungsstelle anhängig, so ist eine erst nach Anrufung der Einigungsstelle erhobene Klage des Antragsgegners auf Feststellung, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, nicht zulässig.“

Da der Verband keine Feststellungs-, sondern eine Zahlungsklage erhoben hatte, ergab sich nach der bis 02.12.2020 geltenden Rechtslage keine Sperrwirkung.

Das Urteil des LG Kiel ist rechtsstaatlich gesehen auch richtig. Denn im Zeitpunkt der Klageerhebung gab es den § 13a Abs. 5 UWG nicht und es war bezüglich des Gesetzesvorhabens auch nicht zwangsläufig mit der Verabschiedung dieser Regelung zu rechnen. Sie stand zwar im Regierungsentwurf vom 17.05.2019 (BT Drucksache 232/19). Das gesamte Gesetzgebungsverfahren wurde aber kontrovers beurteilt und in dessen Verlauf gab es erhebliche Änderungen. Die Vertragsstrafenklage war am 20.09.2020 rechtshängig geworden. Würde die zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltende Rechtslage nach dem ab 02.12.2020 geltenden Recht beurteilt, läge ein Fall echter Rückwirkung bzw. jedenfalls unechter Rückwirkung vor (bei der eine zuvor entstandene und zuvor geltend gemachte Rechtsposition des Verbandes nachträglich wieder entwertet worden wäre). Der Begründung des „Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ lässt sich eine solche Interpretation nicht entnehmen und sie würde auch gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Vertrauensgrundsatz verstoßen (Art. 2 Abs. 1 iVm 20 Abs. 3 GG; siehe BVerfG, Beschluss vom 17.12.2013, Az. 1 BvL 5/08). Auch das OLG Köln (Urteil vom 26.02.2021, Az. 6 U 85/20) hat – allerdings im Zusammenhang mit dem Kostenerstattungsanspruch, § 13 Abs. 3 UWG – darauf hingewiesen, dass das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs keine Anordnung einer rückwirkenden Geltung enthalte.

III. Einigungsstelle: Rechtsgrundlage und Verfahrensvorschriften

Das Verfahren vor der Einigungsstelle ist in § 15 UWG geregelt.

15 Abs. 2 UWG regelt die Besetzung, die Anforderungen an die vorsitzende Person und die Beisitzer sowie die Ausschließung und Ablehnung von Mitgliedern der Einigungsstelle. In § 15 Abs. 3 UWG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Gegner dem Einigungsstellenverfahren zustimmen muss. Wegen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit wird in § 15 Abs. 4 UWG auf § 14 UWG verwiesen. Die weiteren Absätze 5 bis 11 betreffen das Verfahren, das auf Herbeiführung eines gütlichen Ausgleichs angelegt ist, der z. B. in der Schaffung eines Vergleichstitels (entsprechend § 797a ZPO) bestehen kann. § 15 Abs. 12 UWG sieht eine Sonderregelung für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor.

Die Ermächtigung der Einigungsstelle, ein Ordnungsgeld festzusetzen, ist in § 15 Abs. 5 S. 2 UWG geregelt:

„Die der Einigungsstelle vorsitzende Person kann das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Gegen eine unentschuldigt ausbleibende Partei kann die Einigungsstelle ein Ordnungsgeld festsetzen. Gegen die Anordnung des persönlichen Erscheinens und gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes findet die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung an das für den Sitz der Einigungsstelle zuständige Landgericht (Kammer für Handelssachen oder, falls es an einer solchen fehlt, Zivilkammer) statt.“

Die Möglichkeit, eine Ordnungsgeldfestsetzung durch das zuständige Landgericht überprüfen zu lassen, weist bereits (auch ohne entsprechende Bezugnahme im UWG) auf die ZPO-Vorschriften als Prüfungsmaßstab hin. Dieser findet sich konkret in § 141 ZPO (Anordnung des persönlichen Erscheinens). Abs. 3 S. 2 der vorgenannten Norm ermöglicht es der persönlich geladenen Partei, unter bestimmten Voraussetzungen einen Vertreter zu entsenden:

„Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist.“

Das LG Kiel hat in seinem Beschluss auf diese Vorschrift Bezug genommen und weiterhin ausgeführt:

Auch aus § 9 Abs. 1 Einigungsstellenverordnung für Schleswig-Holstein vom 01.02.2017 lässt sich die Geltung des § 141 ZPO ableiten:

„Soweit in § 15 UWG oder in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über Prozessbevollmächtigte und Beistände sowie über die Zustellung von Amts wegen sinngemäß.“

Im Folgenden führte das LG Kiel dann aus, dass mit dem Erscheinen von Rechtsanwalt R ein solcher Fall der zulässigen Vertretung vorgelegen habe. Rechtsanwalt R sei umfassend bevollmächtigt und zum Vergleichsabschluss ermächtigt gewesen. Dass er nicht über die Wirksamkeit des Unterlassungsvertrags diskutieren wollte, sei unerheblich. Für § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO reiche es aus, dass der Vertreter überhaupt zum Vergleichsabschluss befugt sei. Er sei nicht gehindert, einen Vergleich abzulehnen (Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 141 Rn. 18) oder einem solchen nur nach Maßgabe bestimmter Vorgaben näherzutreten.

IV. Gründe für ein Ordnungsgeld

Zu der Begründung der Einigungsstelle, Rechtsanwalt R sei nicht umfassend informiert und zum Vergleich bevollmächtigt gewesen, ist vorstehend in Ziffern I, III bereits ausgeführt worden. Die Einigungsstelle hat insofern juristisch nicht haltbare Vermutungen angestellt. Aus dem Umstand, dass ein Vertreter nicht in einer von der Einigungsstelle gewünschten Weise an der Aufklärung mitwirkt und einen Teilaspekt des Streites als Vergleichsmasse ablehnt, kann nicht auf den Umfang seiner Befugnisse geschlossen werden. Dazu hat das LG Kiel in seinem Beschluss überzeugend argumentiert.

Auch die weitere Argumentation der Einigungsstelle, Rechtsanwalt R habe nicht an der Sachaufklärung mitgewirkt, weil er die von der Einigungsstelle geforderte Mitgliederliste nicht vorgelegt hatte, hat das LG Kiel als nicht tragfähig bewertet. Sinn und Zweck des Einigungsstellenverfahrens sei nach § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1 UWG „allein die Herbeiführung einer gütlichen Einigung der Parteien.“  Ausschließlich diesem Zweck diene die Aufklärung, Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie die Aussprache der Parteien. Eine Einigung könne nur freiwillig erfolgen. Diese Auffassung entspricht den einschlägigen Kommentierungen (siehe z.B. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 15 Rn. 20-21; Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 15 Rn. 10; MünchKommUWG, 2. Aufl. 2014, § 15 Rn. 99). Ein Ordnungsgeld darf nur dann verhängt werden, wenn die Sachaufklärung durch das unentschuldigte Fehlen der Partei erschwert oder verzögert worden ist (BGH, Beschluss vom 22.06.2011, Az. I ZB 77/10). Daran fehlte es im vorliegenden Fall, da der Antragsgegner vor und während der mündlichen Verhandlung deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht hatte, dass er weitere Auskünfte zu seinen Mitgliedern gegenüber der Einigungsstelle nicht erteilen werde.

Die Einigungsstelle lag bei Ihrem Aufklärungsbemühen im Übrigen auch rechtlich falsch. Das LG Kiel hat in seinem Urteil gegen den Händler deutlich ausgeführt, dass es sich bei der Aussage im Abmahnschreiben, der Verband sei aktivlegitimiert, nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine rechtliche Bewertung handele. Eine Wertung könne aber keinen Anfechtungsgrund darstellen. Schon daher komme es weder auf die Zahl bzw. namentliche Benennung von Mitgliedern, noch auf die personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung des Verbandes an.

Die Aktivlegitimation ergebe sich einzig und alleine aus dem Unterlassungsvertrag (herrschende Meinung, siehe z. B. OLG Thüringen, Beschuss vom 19.11.2020, Az. 1 U 236/20; KG Berlin, Beschluss vom 17.11.2020, Az. 5 U 51/18; LG Essen, Urteil vom 08.03.2021, Az. 43 O 44/20; LG Osnabrück, Urteil vom 30.11.2020, Az. 18 O 254/20; LG Münster, Urteil vom 01.06.2018, Az. 026 O 26/18; LG Itzehoe, Urteil vom 29.06.2018, Az. 5 HK O 12/18; LG Dortmund, Urteil vom 09.05.2018, Az. 10 O 113/17; LG Augsburg, Urteil vom 03.05.2018, Az. 1 HK O 3293/17; LG Darmstadt, Urteil vom 15.12.2017, Az. 14 O 63/17; LG Köln, Urteil vom 12.09.2017, Az. 81 O 72/17; LG Koblenz, Urteil vom 15.08.2017, Az. 3 HK O 24/17; LG Bonn, Urteil vom 07.06.2017, Az. 16 O 3/17; LG Frankenthal/Pfalz, Urteil vom 22.08.2016, Az. 2 HK O 17/16). Auch die Höhe von 1.000,00 EUR bewege sich im Rahmen dessen, was als angemessene Sanktion anzusehen sei.

 

V. Fazit

Der vom LG Kiel entschiedene Fall lässt erkennen, dass die Einigungsstelle ihre Funktion falsch verstanden hat. Anders als einem Gericht steht ihr keine Entscheidungskompetenz zu. Insofern kann sie einer Partei auch keine Auflagen machen oder nach Darlegungs- und Beweislast entscheiden. Daraus folgt, dass sie eine Sachaufklärung nicht mit den Sanktionsmöglichkeiten, die einem Gericht zur Verfügung stehen, beeinflussen kann. Es findet auch keine förmliche Beweisaufnahme statt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG, § 15 Rn. 23). Soweit es der Einigungsstelle nicht gelingt, die Parteien zu befrieden, hat sie den Zeitpunkt, zu dem die Vergleichsverhandlungen endgültig gescheitert sind, festzustellen und den Parteien mitzuteilen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 15 Rn. 27). Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, damit ab dann Klageerhebungen wieder ermöglicht werden (siehe §§ 13a Abs. 5; 15 Abs. 10 S. 3 UWG). Im konkreten Fall hatte die Vorsitzende der Einigungsstelle den scheinbar von ihr angestrebten „Machtkampf“ bezüglich der Erzwingung der Sachaufklärung und des Erscheinens der 1. Vorsitzenden in persona nicht gewinnen können, weil das Instrumentarium des § 15 UWG das nicht hergibt.

 

Dr. Harald Schneider
RA + FA IT-Recht