Rechtsprechung

BGH: Unwirksamkeit einer insolvenzabhängigen Kündigungsklausel

In auf Dauer angelegten Verträgen bzw. in AGB wird häufig ein Recht zur Lösung vom Vertrag geregelt für den Fall, dass ein Vertragspartner insolvent wird. Um eine solche Regelung rechtssicher zu formulieren, muss die Rechtsprechung sorgfältig ausgewertet und berücksichtigt werden. Nach § 119 InsO sind Vereinbarungen unwirksam, die in die Rechte des Insolvenzverwalters (§§ 103 ff. InsO) eingreifen. Bislang gab es keine abschließende höchstrichterliche Entscheidung zur Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln. In früheren Entscheidungen hatte der BGH (Urteil vom 14.12.2006, Az. IX ZR 194/05; vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11) eine Beeinträchtigung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters, Verträge zu erfüllen oder nicht (§ 103 InsO), dann als nicht beeinträchtigt angesehen, wenn die Regelung sich eng an eine gesetzliche Lösungsmöglichkeit anlehnt wie z. B. geregelt bei Verzug, Unzumutbarkeit, wichtigen Kündigungsgründen gem. §§ 314 oder 648a BGB. In einer aktuellen Entscheidung hatte der BGH (Urteil vom 27.10.2022, Az. IX ZR 213/21) erneut Gelegenheit, sich mit der Thematik zu befassen. Streitgegenständlich war eine Regelung in einem Beförderungsvertrag, nach der als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gelten soll:

„Der Auftragnehmer ist zahlungsunfähig geworden, über das Vermögen des Auftragnehmers ist ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden, die Eröffnung eines solchen Verfahrens ist mangels Masse abgelehnt worden, der Auftragnehmer befindet sich im Verfahren der Liquidation oder der Auftragnehmer hat seine Tätigkeit eingestellt.“

Die Beklagte dieses Verfahrens hatte den Schuldner gegen eine vereinbarte Vergütung mit der Durchführung von Schülerbeförderungen beauftragt und nach Bekanntwerden der Insolvenz dann gestützt auf die vorgenannte Klausel fristlos gekündigt. Diese Lösungsklausel, bei der alleine der insolvenzabhängige Umstand die Lösung vom Vertrag ermöglichen soll, sah der BGH im vorliegenden Fall der Kündigung durch einen Geldleistungsgläubiger (wie die Beklagte einer war) als unwirksam an. Der BGH ergänzte seine frühere Rechtsprechung dahingehend, dass Ausnahmen denkbar seien, wenn bei objektiver Betrachtung ex ante zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf der Grundlage der wechselseitigen Interessen der Parteien berechtigte Gründe bestehen. Solche seien zugunsten eines Gläubigers, der lediglich Geld schuldet, regelmäßig nicht vorhanden, hingegen bei fristlosen Kündigungen von Sach- oder Dienstleistungsgläubigern denkbar. Somit sind stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.