Rechtsprechung

BGH: Vorlage an den EuGH wegen Vertriebs von Arzneimitteln über Internetplattformen, u. a. Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat in einem anhängigen Revisionsverfahren (Beschluss vom 12.01.2023, Az. I ZR 223/19) dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien sind Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über die Plattform Amazon. Der Kläger rügt, dass der Beklagte für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt habe. Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

Das LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17) hatte der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

Das OLG Naumburg (Urteil vom 07.11.2019, Az. 9 U 39/18) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der DSGVO seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung.

Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Der BGH hatte das Verfahren mit Beschluss vom 08.09.2020 bis zur Entscheidung des EuGH über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28.05.2020 (Az. I ZR 186/17- App-Zentrum) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 DSGVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.  Der EuGH hatte mit Urteil vom 28.04.2022 (Az. C-319/20 – Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom BGH vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht.

Darum hat der BGH nun das Verfahren I ZR 223/19 ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Regelungen in Kapitel VIII der DSGVO nationalen Regelungen entgegenstehen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Außerdem hat der BGH den EuGH gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie, DSRL) sind.

(Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 12.01.2023)

Das Verfahren ist bei dem EuGH unter dem Az. C-21/23 anhängig.