Rechtsprechung

Rechtsprechung zur umweltbezogenen Werbung

Zur umweltbezogenen Werbung liegen bislang überwiegend Entscheidungen vor, die solche Werbung im jeweiligen Einzelfall untersagen. Da zunehmend mehr Verbraucher für diese Thematik sensibilisiert sind, nutzen Anbieter auch zunehmend umweltbezogene Aussagen in ihrer Werbung und versuchen, die rechtlichen Grenzen „auszuloten“.

I. Entscheidung des OLG Koblenz aus dem Jahre 2011

Wer als Unternehmer für ein Produkt mit Eigenschaften wie z.B. „CO2-neutral“ werben möchte, sollte dies nur dann tun, wenn er eine ausgeglichene CO2-Bilanz auch tatsächlich belegen kann. Ansonsten drohen wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung. Dies hatte bereits im Jahre 2011 das OLG Koblenz so betreffend die Werbung für Grablichter aus recyceltem Altfett entschieden (Urteil vom 10.08.2011, Az. 9 U 163/11). Bei der Werbung mit der Eigenschaft „CO2-neutral“ für ein Produkt erwarte der Verbraucher, dass eine ausgeglichene CO2-Bilanz gegeben ist. Diese kann so ausgestaltet sein, dass entweder CO2 an anderer Stelle eingespart oder durch Klimaprojekte verschiedenster Art ausgeglichen wird. Beispielsweise können verbesserte Herstellungsverfahren auch zu einem solchen Ausgleich führen. Die bloße nicht belegte Aussage, dass man einige Bäume und Sträucher gepflanzt habe, lässt aber nicht auf eine ausreichende Kompensation schließen. Ähnliche Grundsätze gelten nach den Ausführungen des Gerichts, wenn mit dem TÜV-Siegel „Geprüfte Umweltverträglichkeit“ geworben wird, obwohl eine entsprechende TÜV-Prüfung nicht nachgewiesen werden kann.

II. Weitere Entscheidungen mit Untersagungen

Seit der Entscheidung des OLG Koblenz sind weitere gerichtliche Entscheidungen zur Werbung mit Umweltfreundlichkeit ergangen (LG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2013, Az. 38 O 123/12 – Untersagung der Werbung mit „klimaneutrale Kerzen“; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.05.2016, Az. 3-06 O 40/16 – Untersagung der Werbung mit „100 Prozent klimaneutral“ für Tiefkühlkost; LG Oldenburg, Urteil vom 16.12.2021, Az. 15 O 1469/21 – Untersagung der Werbung eines Geflügelverarbeiters mit „klimaneutral“ ; LG Mönchengladbach, Urteil vom 25.02.2022, Az. 8 O 17/21 – bestätigt durch OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2023, Az. 20 U 72/22 – Untersagung der Werbung eines Marmeladenherstellers und -vertreibers mit „Klimaneutraler Preis-Leistungs-Klassiker“).

III. Entscheidungen aus dem Jahre 2023

Zwei weitere Entscheidungen aus jüngster Zeit können nun noch ergänzend angeführt werden:

1. LG Karlsruhe (Werbung des Discounters dm)

Auf die Unterlassungsklage des Deutsche Umwelthilfe e.V. hin verurteilte das LG Karlsruhe (Urteil vom 26.07.2023, Az. 13 O 46/22 KfH) die Drogeriemarktkette dm dazu, Produkte nicht als „umweltneutral“ oder „klimaneutral“ zu bewerben. Konkret ging es um Flüssigseife, Sonnenmilch oder Cremedusche aus dem Eigensortiment des Discounters, die “ mittels Labeln auf den Produktverpackungen als „klimaneutral“ und Spülmittel, die als „umweltneutral angepriesen wurden. Der DUH bemängelte bezüglich „klimaneutral“ eine fehlende Aufklärung. In der Werbung mit „umweltneutral“ sah der DUH eine Täuschungshandlung. Das LG Karlsruhe gab dem DUH Recht.

Es fehle bezüglich „klimaneutral“ an der Transparenz. Soweit es darum geht, diese Werbeaussagen nachvollziehen zu können, handele es sich um für Verbraucher wesentliche Informationen. Fehlen diese, so liege der Fall der Täuschung durch Unterlassen (§ 5a Abs. 1 UWG) vor. Auf eine Täuschungsabsicht komme es insofern nicht an. Der Verweis auf einen Zertifizierungspartner reichte dem LG Karlsruhe nicht. Erforderlich sei zumindest ein Verweis auf eine konkrete Webseite gewesen, auf der sich weitere Informationen zur Zertifizierung befinden müssten. Allerdings beanstandete das Gericht bezüglich „klimaneutral“ auch das Zertifizierungsverfahren selbst. Der Zertifizierungspartner des Discounters dm ist der Auffassung, ein Produkt sei dann klimaneutral, wenn das bei der Herstellung emittierte CO2 durch Zahlungen in bestimmte Projekte, unter anderem in ein Waldschutzprojekt in Peru, kompensiert wird. Darin sah das Gericht keine unmittelbare Kompensation, wie der Verbraucher sie produktbezogen erwarte. Zwar könne das Waldschutzprojekt dazu führen, dass weniger Bäume gefällt werden, wodurch CO2 eingespart würde. Allerdings sterbe jeder Baum irgendwann ab und gebe dann das gespeicherte CO2 doch wieder frei. Das Label „klimaneutral“ wecke aber beim Verbraucher die Erwartung, dass „das produktbezogen emittierte Treibhausgas dauerhaft bilanziell neutralisiert worden“ sei, Dieses Versprechen könnten die mit dem Produktkauf finanzierten Waldschutzprojekte nicht einlösen, da damit das CO2 nur temporär gespeichert werden kann.

Bezüglich der Aussage „umweltneutral“ ging das Gericht von einer Irreführung durch Täuschung (§ 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG) aus. Die so beworbenen Produkte seien unstreitig nicht im naturwissenschaftlichen Sinne umweltneutral. Vielmehr führten diese in allen Phasen ihres Lebenszyklus zu Umweltauswirkungen negativer Art. Weder eine Reduktion schädlicher Stoffe bzw. Herstellungsprozesse noch Kompensationsmaßnahmen liefen auf eine Neutralisation hinaus.

2. OLG Düsseldorf (Werbung des Süßwarenherstellers Katjes)

Eine Süßwarenherstellerin hatte in einer Zeitungswerbung mit „Klimaneutral“ geworben. Ein qualifizierter Wirtschaftsverband war der Auffassung, die Aussage werde von den angesprochenen Verbraucherkreisen so verstanden, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Gleiches gelte für den Leserkreis der Lebensmittel-Zeitung. Diese richte sich zwar an ein Fachpublikum, könne aber auch von Verbrauchern abonniert werden. Zumindest müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Der Verband mahnte den Hersteller deshalb erfolglos ab und klagte sodann beim LG Kleve auf Unterlassung. Das Gericht wies die Klage gegen den Süßwarenhersteller (Beklagte) ab (Urteil vom 22.06.2022, Az. 8 O 44/21). Die Berufung des Verbandes (Kläger) vor dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.07.2023, Az. 20 U 152/22) blieb erfolglos.

Das Gericht kam zu der Auffassung, dass die Lebensmittel-Zeitung sich zwar an ein Fachpublikum richte, dieses aber eine solche „Spannbreite“ aufweise, dass auch Verbraucher als Leser darunter zu finden seien, ferner Händler auch in ihrer Eigenschaft als Verbraucher angesprochen würden. Daher müsse der Süßwarenhersteller zur Vermeidung einer irreführenden geschäftlichen Handlung dem Leser die wesentlichen Informationen zur „Klimaneutralität“ zur Verfügung stellen. Das Gericht wies auf die herausragende Bedeutung des Klimaschutzes hin:

Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 – klimaneutral).

Die Situation sei vergleichbar mit derjenigen eines Warentests. Auch zur Ermittlung der Klimabilanz gebe es unterschiedliche Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen sei. Im Ergebnis sei daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiterhin sei eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden. Im konkreten Fall sei die Beklagte allerdings diesen Anforderungen gerecht geworden. Zwar erfolge die erforderliche Information erst, wenn der Leser der Anzeige entweder über den QR-Code oder durch Eingabe die genannte Website von „ClimatePartner.com“ aufsucht. Dies reiche indes zur Information der Verbraucher aus. Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind räumliche Beschränkungen durch das gewählte Kommunikationsmittel zu berücksichtigen, § 5a Abs. 3 UWG. Insoweit sei dem Verbraucher nicht allein mit der Angabe „Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht“ gedient, weshalb die Information näherer Angaben zu Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen bedürfe, für die in einer Zeitungsanzeige letztlich der Platz fehle. Mit der Vorinstanz war das OLG Düsseldorf der Ansicht, dass es dem Zeitungsleser zuzumuten sei, für nähere Informationen eine ohne Weiteres abrufbare Webseite aufzusuchen, was im konkreten Fall auch mittels eines QR-Codes möglich war.

Da die Verpackung selber nicht Gegenstand des Unterlassungsbegehrens war, kam es nicht darauf an, ob die vorstehend dargestellten Grundsätze auch für einen Verbraucher gilt, dem der Claim, also die Werbebotschaft mit „Klimaneutral“, auf einer Verpackung in der konkreten Kaufsituation entgegen tritt.

IV. Ausblick: Geplante Greenwashing-Regulierung

Nach einer Studie der EU-Kommission (in englischer Sprache) ist über die Hälfte aller „Green-Claims“ intransparent oder irreführend. Es liege ein „Wildwuchs öffentlicher und privater Umweltzeichen“ vor, gegen den vorgegangen werden müsse. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Webseite der deutschen Vertretung der EU-Kommission. Am 22.03.2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine „Green Claims“-Richtlinie“ vorgelegt. Damit will sie laut ihrer Presseerklärung der „Grünfärberei und Irreführung der Verbraucher durch falsche umweltbezogene Werbeaussagen“ und „dem Wildwuchs der Werbebotschaften Einhalt gebieten. Im Visier hat die Kommission freiwillige Werbeaussagen und Umweltzeichen (z.B. Zertifizierungen), die Produkte als umweltfreundlicher darstellen als sie tatsächlich sind, die aber nicht oder kaum durch Nachweise belegt sind. Solche Praktiken würden Verbraucher davon abhalten, ihren Alltag nachhaltiger zu gestalten. Gleichzeitig möchte die Kommission Unternehmen, die sich ernsthaft um die Entwicklung umweltfreundlicher Produkte, Dienstleistungen und organisatorischer Abläufe bemühen und ihren ökologischen Fußabdruck verringern, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Dr. Harald Schneider

Rechtsanwalt + Fachanwalt für IT-Recht