Rechtsprechung

OLG Köln: 26 selbständige Abmahnungen wegen derselben Werbeveröffentlichung sind nicht rechtsmissbräuchlich

Ein Autohaus hatte auf seinem Facebook-Auftritt einen Videoclip vorgehalten, den ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband beanstandete. Der Vorwurf des Verbands lautete dahingehend, das Autohaus habe mit dem (zusammen mit anderen Autohäusern erfolgten) Teilen des von einer Webseite „A Motors DE“ der F-GmbH stammenden Videos gegen § 5 Pkw-EnVKV verstoßen, da es im Zusammenhang mit Motorisierungsinformationen keine Angaben zu den Werten des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen gemacht habe. Da vorgerichtlich keine Erledigung erfolgte, klagte der Verband (Kläger) vor dem LG Bonn gegen das Autohaus (Beklagte) auf Unterlassung. Die Beklagte verteidigte sich damit, ein Verstoß gegen die Pkw-EnVKV liege nicht vor und der Kläger handele missbräuchlich, weil er insgesamt 26 Vertragshändler gleichzeitig abgemahnt habe, obwohl der Vorgang des Teilens des Videoclips als eine einheitliche Handlung anzusehen sei. Das LG Bonn (Urteil vom 22.12.2021, Az. 30 O 84/21) wies die Klage ab mit der Begründung, es könne keinen Wettbewerbsverstoß erkennen, die Frage, ob der Kläger rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8c UWG gehandelt habe, könne dahinstehen. Hiergegen legte der Kläger Berufung zum OLG Köln ein. Dieses verurteilte die Beklagte antragsgemäß (Urteil vom 10.06.2022, Az. 6 U 3/22). Das OLG Köln untersuchte zunächst die Frage des Rechtsmissbrauchs in Bezug auf 26 selbständige Abmahnungen an die Autohändler, die den Clip geteilt hatten. Es wies daraufhin, dass hier das Regelbeispiel des § 8c Abs. 2 Ziffer 7 UWG (separate Abmahnungen bei „Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind“) nicht vorliege. Die A-Vertragshändler, die den Post von der F GmbH geteilt hatten, hätten keinen gemeinschaftlichen Wettbewerbsverstoß begangen, sondern jeweils getrennt voneinander selbständige Wettbewerbsverstöße aufgrund eigener unternehmerischer Entscheidungen. Die Vertragshändler seien nicht verpflichtet gewesen, die Werbevorlage des Herstellers A zu teilen, erst recht nicht in unveränderter Form. Die Händler hätten z. B. zum Videoclip die Werbetexte abweichend gestalten können, also auch so, dass diese nicht gegen die Pkw-EnVKV verstießen. Oder sie hätten. auf Motorisierungsangaben ganz verzichten oder die Werbevorlage mit einem eigenen Eingangstext versehen und darin unmittelbar nach einer (ersten) Motorisierungsangabe die Pflichtangaben nach der Pkw-EnVKV einfügen können. Es gehe vorliegend auch nicht um mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, § 8c Abs. 2 Ziff. 6 UWG. Keine der dort aufgeführten verschiedenen Konstellationen seien erfüllt. Weder habe der Kläger die Beklagte wegen mehrerer Verstöße, die in hinreichend engem zeitlichen Zusammenhang erfolgt sind, gesondert abgemahnt noch gehe er gemeinsam mit weiteren Unterlassungsgläubigern in einem von mehreren Verfahren gegen die Beklagte vor. Der Verstoß gegen § 5 Pkw-EnVKV liege vor. Dass die Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen nach dem Anklicken des Buttons „Mehr ansehen“ angegeben werden, genüge den Vorgaben der Pkw-ENVKV nicht. Durch das Video sei nicht sichergestellt, dass dem Empfänger die Pflichtinformationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in dem erstmalig Angabe zur Motorisierung – hier zum Hubraum („1.2 Benziner“) – erfolgt. Die gleichzeitige Kenntnis von Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen diene dazu es zu vermeiden, dass Verbraucher ausschließlich auf der Grundlage von Angaben zur Motorisierung des Fahrzeugmodells eine Vorabentscheidung für das beworbene Fahrzeug treffen.