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Zum Umfang des Anspruches des Arbeitnehmers auf Erteilung von Datenkopien, z. B. E-Mails (Art. 15 DSGVO)

Der Umfang des Anspruches des Betroffenen auf Erteilung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, (Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO) wird in der Rechtsprechung kontrovers. Nach der restriktiveren Ansicht besteht lediglich ein Anspruch des Betroffenen auf Erhalt einer schriftlichen Auskunft mit den Angaben nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO; die gegenteilige Ansicht vertritt die Auffassung, dass der Betroffene eine Kopie sämtlicher Dokumente mit Personenbezug zu den Betroffenen verlangen könne. Dies würde u. a. E-Mail Korrespondenz einschließen, in denen personenbezogene Daten des Betroffenen enthalten sind.

Insofern war mit Spannung ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) v. 27.04.2021, Az. 2 AZR 342/20, erwartet worden.

Das BAG hat diese kontrovers diskutierte Fragestellung offen gelassen. Es hat aus zivilprozessualen Fragestellungen die Klage als unzulässig beurteilt.

Hiernach hatte der BGH in seinem Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19, die Gelegenheit, sich zu dieser Fragestellung zu äußern. Der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt entstammte dem Versicherungsbereich. Der Kläger hatte mit Wirkung zum 01.07.1997 mit einer Rechtsvorgängerin der beklagten Versicherungsgesellschaft einen Vertrag über eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzvereinbarung abgeschlossen. Ab 10.01.2016 widersprach er dem Zustandekommen des Vertrages. Eine weitere Rechtsvorgängerin der Beklagten wies diesen Widerspruch zurück. Die Versicherungsgesellschaft übersandte dem Kläger daraufhin auf dessen Aufforderung im April 2016 eine „Datenübersicht nach § 34 BDSG“ Im weiteren Verlauf erteilte das später beklagte Versicherungsunternehmen dem Kläger weitere schriftliche Auskünfte zu den bei ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers. Der Kläger war der Ansicht, dass die erteilten Auskünfte unvollständig seien. Mit Klageschrift hat der Kläger zunächst Anspruch auf Prämienrückzahlung begehrt. Zudem beantragte er, die Beklagte zur Erteilung einer vollständigen „Datenauskunft im Sinne von § 34 BDSG“ sowie zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der bereits erteilten Auskünfte zu verurteilen. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgte der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter, sein Auskunftsbegehren stützte er nunmehr auf Art. 15 DSGVO. Sein Antrag zu Ziffer 5. lautete insofern,

„festzustellen, dass sich der Datenauskunftsanspruch des Klägers aus Art. 15 DSGVO i. V. m. Art. 4 DSGVO auf sämtliche bei der Beklagten tatsächlich über den Kläger vorhandene Daten erstreckt, einschließlich der internen zur Person des Klägers und der mit ihm gewechselten Korrespondenz (einschließlich E-Mails), der internen Telefon und Gesprächsnotizen und sonstigen intern Vermerken der Beklagten zu dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis und auch der internen Bewertung der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherungspolice.“

Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Im Hinblick auf den Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO wurde die Revision zugelassen. Mit seiner Revision hat der Kläger die Klageanträge zu Ziffer 3 bis 5 (datenschutzrechtliche Anträge) weiter verfolgt.

Der BGH hat zunächst festgestellt, dass sich der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach dem seit dem 25.05.2018 unmittelbar anwendbaren Art. 15 DSGVO beurteilt.

Der BGH hat sich sodann mit dem Umfang des Auskunftsanspruchs im Detail, u. a. unter Berücksichtigung der Vorgaben der Erwägungsgründe, beschäftigt. Hierbei ist er von der Begriffsdefinition der „personenbezogenen Daten“ in Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DSGVO ausgegangen. Dieser Begriff sei weit zu verstehen. Er sei nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasse potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es ich um Informationen über die in Rede stehende Person handele. Letztgenannte Voraussetzung sei erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhaltes, ihres Zweckes oder ihrer Auswirkung mit einer bestimmten Person verknüpft seien. Eine teleologische Reduktion des Begriffes „personenbezogenen Daten“ dahingehend, dass es sich um „signifikante biografische Informationen“ handeln müsse, komme nicht in Betracht. Hierbei sei der Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DSGVO zu berücksichtigen. Hiernach diene das Auskunftsrecht dem Zweck, dass sich die betroffene Person der Datenverarbeitung bewusst werde und deren Rechtsmäßigkeit überprüfen könne. Vor diesem Hintergrund führte der BGH aus:

  • Insoweit seien Schreiben des Klägers (Betroffener) an die Beklagte ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten anzusehen. Dass die Schreiben dem Kläger bereits bekannt seien, schließe den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus. Auch etwaige Zweitschriften und Nachträge zu einem Versicherungsschein seien daher nicht grundsätzlich vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch ausgeschlossen, soweit die darin enthaltenen personenbezogenen Daten bei der Beklagten verarbeitet werden.

  • Auch die Korrespondenz der Beklagten mit Dritten könne ebenfalls auf die Person des Klägers bezogene Daten enthalten.

  • Auch interne Vermerke oder interne Kommunikation bei der Beklagten, die Informationen zu dem Kläger enthalten, kämen als Gegenstand des Auskunftsanspruches in Betracht. Das sei beispielsweise der Fall bei Vermerken, in denen festgehalten werde, wie sich der Kläger telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert habe. Auch Vermerke über den Gesundheitszustand des Klägers enthielten personenbezogene Daten.

  • Im Hinblick auf interne Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers sei jedoch festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH rechtliche Analysen zwar personenbezogene Daten des Klägers enthalten können. Die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst stelle aber keine Informationen über den Betroffenen dar, so dass diese Beurteilung kein personenbezogenes Datum enthalten.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Betroffene von dem Verantwortlichen eine umfassende Auskunft, mit Ausnahme von dem Verantwortlichen erstellter rechtlicher Analysen, verlangen und insoweit eine Kopie fordern kann.

Es bleibt nun abzuwarten, ob sich diese – zum Versicherungsrecht ergangene – Rechtsprechung auch in anderen Rechtsbereichen durchsetzen wird. Aufgrund des höchstrichterlichen Charakters der Entscheidung ist hiervon jedoch auszugehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestünde damit ein sehr umfassender Auskunftsanspruch.

Es bleibt daher abzuwarten, ob und inwieweit z. B. die Regelung des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO zur Anwendung gelangt. Hiernach kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Falle von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen entweder ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrages tätig zu werden. Der Verantwortliche hat insofern den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrages zu erbringen (Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO).

Vor dem Hintergrund dieses Urteils ist vorstellbar, dass Betroffene den „weiten Umfang“ des Auskunftsanspruchs nutzen werden, um auf den Verantwortlichen Druck auszuüben. Nach diesseitiger Kenntnis wurde der Auskunftsanspruch – vor Verkündung des vorgenannten BGH-Urteils – bereits genutzt, um in arbeitsrechtlichen Verfahren Druck auf den Arbeitgeber ausüben zu können, mit dem Ziel, finanzielle Zugeständnisse zu erreichen.