Rechtsprechung

Schlechtes Ranking eines Vertragspartners als Sittenwidrigkeitskriterium?

In einem veröffentlichten Hinweisbeschluss hatte sich das LG Wuppertal (Beschluss vom 05.06.2014, Az. 9 S 40/14; Berufungsverfahren zu AG Wuppertal, Az. 36 C 341/13) mit der Thematik befasst, inwieweit ein Vertrag über einen Internetwerbeeintrag wegen schlechten Rankings des zur Dienstleistung verpflichteten Verzeichnisanbieters sittenwidrig sein kann.

I. Sachverhalt

Eine Unternehmerin (Kundin) hatte mit der Betreiberin des Internet-Branchenverzeichnisses www.Branche200.eu einen Vertrag geschlossen mit dem Inhalt, dass die Kundin gegen eine jährliche Vergütung von 910,00 EUR zzgl. MwSt. in das Internetverzeichnis aufgenommen wird. Da die Kundin nicht zahlte, klagte die Verzeichnisbetreiberin die Vergütung beim AG Wuppertal ein. Dieses wies die Klage ab mit der Begründung, der Vertrag sei sittenwidrig wegen Wertlosigkeit des Verzeichnisses. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Das Berufungsgericht LG Wuppertal führte sodann in einem näher begründeten Hinweisbeschluss aus, warum es der Berufung keine Erfolgsaussichten beimesse. Da kein Berufungsurteil bekannt ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre Berufung sodann zurückgenommen hat.

Das LG Wuppertal stellte eigene Internetnachforschungen zum Verzeichnisanbieter an und führte dazu aus:

„Eine Internet-Recherche der Kammer vom heutigen Tage hat ergeben, dass das Verzeichnis „www.Branche100.eu“ nach Eingabe der Begriffe „Branchenbuch“, „Branchenverzeichnis“ oder „Gelbe Seiten“ in die (marktführenden) Suchmaschinen Google, Bing und Ask auf den jeweils ersten fünf Suchtrefferseiten nicht erscheint.“

Mitbewerber der Klägerin wie z. B. die Portale gelbeseiten.de, cylex.de oder goyellow.de seien auf den ersten fünf Seiten zu finden. Daraus schloss das Berufungsgericht, objektiv liege ein „auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung“ vor. Die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts seien erfüllt. Zur subjektiven Seite führte das Landgericht aus:

„Zwar begründet die Vollkaufmann-Eigenschaft des Benachteiligten in aller Regel die widerlegliche Vermutung, dass der Begünstigte nicht in verwerflicher Weise eine persönliche oder geschäftliche Unterlegenheit des Benachteiligten ausgenutzt hat (BGH, aaO). Die verwerfliche Gesinnung der Klägerin folgt hier jedoch eindeutig aus der Verwendung des „Brancheneintragungsantrages“ vom 11.05.2009 als ihr Angebot. Dieses ist ersichtlich darauf angelegt, den Empfänger über den wahren Gegenstand dieses Schreibens und die mit der Rücksendung verbundenen Rechtsfolgen im Unklaren zu lassen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts wird verwiesen. Während sich ein „normales“ unaufgefordert zugesandtes Angebot dadurch auszeichnet, den Empfänger von den Vorzügen eines Vertragsschlusses zu überzeugen, wird ihm vorliegend gerade die Kenntnisnahme des Vertragsinhalts schwergemacht.“

II. Entscheidungsanalyse

Der Hinweisbeschluss überzeugt aus mehreren Gründen nicht und kann vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung (§ 138 BGB) und der einschlägigen Rechtsprechung nur als „Ausreißer“ bezeichnet werden. Soweit ersichtlich, hat auch kein anderes Gericht sich darauf gestützt. Allerdings wird der Beschluss häufig bei Vergütungsklagen erwähnt und hat in dem Marktsegment der Werbedienstleistungen nicht zuletzt wegen mehrfacher Veröffentlichung und Verbreitung im Internet eine gewisse „Bekanntheit“ erreicht.

  1. Nutzerverhalten

Zweifelhaft ist bereits, ob das AG und LG Wuppertal überhaupt den Sinn und Zweck einer solchen Werbemaßnahme zutreffend erfasst haben. Ersichtlich ging die Kammer davon aus, Nutzer würden nach bekannten Bezeichnungen der Verzeichnisbetreiber im Internet suchen, um dann in deren Verzeichnis einen von ihnen gesuchten Unternehmer in einer bestimmten Branche (Waren oder Dienstleistungen) zu finden. Tatsächlich ist es aber so, dass diverse Anbieter von Internetverzeichnissen Werbeseiten auf ihrem eigenen Portal erstellen und dann in den Suchmaschinen konkrete Werbung für ihre Kunden (also z. B. Obstladen XY in Musterstadt) veranlassen. Das geht z. B. bei Google über die „Search Console“ (Sitemap hinzufügen oder testen). Es erscheinen dann in der Trefferliste der Suchmaschinen „Textschnipsel“ (Snippets), die Kernaussagen über den Kunden sowie einen direkten Link auf dessen jeweilige Werbeseite im Portal des Verzeichnisbetreibers enthalten (Rückverlinkung). Solche Sitemaps erstellen die Suchmaschinen ohnehin auch automatisch. Der Verzeichnisbetreiber kann sie aber in gewissem Umfange textlich beeinflussen. Ferner haben die Verzeichnisbetreiber die Möglichkeit, durch bezahlte Werbung ihr eigenes Portal bekannt zu machen (z. B. über Google AdWords). Vor dem Hintergrund einer wesentlich komplexeren Werbestrategie bezüglich Verzeichniseinträgen ist davon auszugehen, dass Nutzer zumindest auch die Suchmaschinen nach einem bestimmten regionalen Unternehmer befragen und auf eine Sitemap eines (nicht marktführenden) Verzeichnisanbieters stoßen, der sie dann in dessen Portal per Link dorthin weiterleitet, wo sich auf einer Werbeseite vielfältige Informationen befinden. Das Gericht hat sich damit nicht befasst. Ob dies wegen der Besonderheiten des konkreten Falles nicht angezeigt war, lässt sich nicht beurteilen. Jedenfalls aber hätte das im Rahmen eines Sittenwidrigkeitsvorwurfs differenzierend betrachtet werden müssen. Auch die Tatsache, dass letztendlich nur die Suchmaschinenbetreiber über eine bestimmte Positionierung in der Trefferliste entscheiden können, ist nicht mit gewürdigt worden. Eine komplette Branche unter Generalverdacht zu stellen, wenn der Name des Betreibers nicht auf den ersten 5 Seiten der Trefferliste einer Suchmaschine erscheint, ist mit den tatsächlichen Abläufen einer solchen Werbemaßnahme nicht vereinbar. Im Übrigen würde eine solche Sichtweise auch dazu führen, dass Neugründungen gar nicht möglich sind, da sich ein entsprechendes Ranking auch erst entwickeln muss.

  1. Objektiver Tatbestand des wucherähnlichen Rechtsgeschäfts

Aus dem landgerichtlichen Hinweisbeschluss ergibt sich nicht, wie die Richter die Sachkunde erworben haben, um beurteilen zu können, ob 910,00 EUR netto ein „auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung“ darstellen. Es ergibt sich allerdings auch nicht, ob der Verzeichnisanbieter die Bekanntheit des Eintrags durch sonstige Maßnahmen (Sitemaps, Bezahlwerbung, Verlinkung mit sozialen Webseiten des Kunden usw.) weiter gefördert hat. Für ein Unternehmen, das durchgehend ein Online-Portal mit zu Grunde liegender Datenbank zur Verfügung stellt, Personal bzw. Dienstleister zu bezahlen hat, Kundenservice bietet, kostenlose Aktualisierungen und Ergänzungen des Werbeeintrages zu leisten hat, erscheinen jährliche 910,00 EUR netto auf den ersten Blick jedenfalls nicht als „auffällig“ übersetzt. Preislisten für die Gelben Seiten (für Berlin, „Preisliste Online“ 2014) sahen für verschiedene Pakete Preise zwischen ca. 1.500 EUR und ca. 4.000,00 EUR vor. Auch wenn man hier mit einem der Marktführer vergleicht, erscheint der wesentlich maßvollere Preis eines kleinen Mitbewerbers jedenfalls nicht auf den ersten Blick als auffälliges Missverhältnis. Auch lässt sich nicht sagen, der Werbeeintrag sei „wertlos“, da logischer Weise die Möglichkeit besteht, dass der die Werbung veranlassende Kunde hierdurch neue Kunden gewinnt.

Ein Branchenverzeichnisbetreiber garantiert keinen Erfolg. Wer Werbung schaltet, muss selbst wissen, ob ihm das etwas bringt, auch wie er konkret wirbt; ferner muss er seine Strategien überprüfen und ggf. anpassen. Wer z. B. Fernsehwerbung schaltet, kann auch nicht die Zahlung verweigern oder sich auf Sittenwidrigkeit berufen mit der Begründung, er habe keine Umsatzsteigerung feststellen können. Bei der früheren Print-Variante, den Branchenbucheinträgen, konnten die Kunden auch nicht später monieren, ein Eintrag in einem Stadt-Branchenbuch, einem Werbekalender, auf einer Litfaßsäule, in einem Telefonbuch usw. habe sich nicht gelohnt und nur Geld gekostet. Diese Werbeinvestitionen fallen in den Verantwortungsbereich des Werbungtreibenden.

  1. Subjektiver Tatbestand

Die Ausführungen des Landgerichts hierzu sind kurios. Die Kammer führt zunächst aus, die Beklagte sei Vollkauffrau, so dass eine tatsächliche Vermutung gegen sie besteht, dass sie geschäftlich übervorteilt worden ist (s. BGH, Urteil vom 06.05.2003, Az. XI ZR 226/01 Rn. 19, zitiert nach juris = NJW 2003, 2230 f.). Dann folgt überraschender Weise der Vorwurf, die verwerfliche Gesinnung der Klägerin folge „hier jedoch eindeutig aus der Verwendung des „Brancheneintragungsantrages“ vom 11.05.2009 als ihr Angebot.“ Die Klägerin habe die Beklagte über den „wahren Gegenstand“ des Angebotsschreibens „im Unklaren gelassen“. Gar nicht mehr nachvollziehbar ist dann die weitere „Begründung“, aus der das Gericht entgegen der vom BGH formulierten Vermutungsregelung die Verwerflichkeit folgert:

„Während sich ein „normales“ unaufgefordert zugesandtes Angebot dadurch auszeichnet, den Empfänger von den Vorzügen eines Vertragsschlusses zu überzeugen, wird ihm vorliegend gerade die Kenntnisnahme des Vertragsinhalts schwergemacht.“

Unklar, sogar gerade nebulös und auch unjuristisch sind die Differenzierungen des Gerichts. Was ist der „wahre Gegenstand“ eines Angebotsschreibens und welche Aufklärung soll hier geschuldet gewesen sein? Aus welcher BGB-Norm ergibt sich die Differenzierung in „normale“ und „unnormale“ Angebote ? An dieser Stelle haben die gerichtlichen Hinweise nun vollends die juristische „Bodenhaftung“ verloren. Es zeigt sich, dass die Kammer überhaupt keine Argumente zur Verfügung hatte und nur bestrebt war, ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Zugutehalten muss man dem LG Wuppertal, dass es die Entscheidung des BGH jedenfalls noch erwähnt hat.

Die subjektive Seite einer Sittenwidrigkeit fehlt ersichtlich, da sich im konkreten Fall zwei Unternehmer auf Augenhöhe begegnet sind. Mit der Vermutungsregelung des BGH hätte das Gericht die Sittenwidrigkeit verneinen müssen.

  1. Ausreißer-Charakter

Der Hinweisbeschluss des LG Wuppertal ist mit der sonstigen Rechtsprechung nicht vereinbar und hat auch keine Nachahmer gefunden.

a) BGH „Lebens-Kost“ (2016)

Das später ergangene Urteil des BGH (vom 21.04.2016 – Az. I ZR 276/14 – Lebens-Kost) konnte die Kammer noch nicht berücksichtigen. Auch hier ging es um einen Internetverzeichniseintrag. Die Vorinstanz (LG Bonn, Urteil vom 05.08.2014, Az. 8 S 46/14) hatte die Sittenwidrigkeit verneint. Es ging um einen im Jahre 2013 geschlossenen Vertrag mit einer monatlichen Belastung von 17,00 EUR zzgl. MwSt. (siehe erstinstanzliches Urteil AG Siegburg vom 31.01.2014, Az. 118 C 124/13). Das LG Bonn führte dazu aus:

„Der Vertrag ist auch nicht aufgrund von Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig.

Der Inhalt der vertraglichen Vereinbarung – die Eintragung in ein Branchenverzeichnis gegen Entgelt – verstößt nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Soweit im Rahmen des § 138 BGB darüber hinaus sich die Sittenwidrigkeit des Geschäfts auch aus dem Gesamtcharakter desselben und einer Gesamtwürdigung des Inhalts, des Zweckes, der Beweggründe und der Umstände des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts ergeben kann (vgl. BGHZ 86, 88; BGH NJW 1990, 590), führt auch dies nicht zur Annahme einer Sittenwidrigkeit. …

Für eine Sittenwidrigkeit wegen des eklatanten Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (Wucher) ist durch die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend vorgetragen worden. Allein der Umstand, dass auch andere Anbieter Branchenverzeichnisse mit Suchfunktionen bereithalten und deren Reichweite über derjenigen der Klägerin liegt und zugleich günstiger zu erhalten sind, begründet nicht ein zur Annahme von Wucher berechtigendes eklatantes Missverhältnis. Dies gilt umso mehr, als die vereinbarte Vergütung in der absoluten Summe auch nicht als außerordentlich hoch beurteilt werden kann.“

Diese Bewertung hat der BGH im Urteil „Lebens-Kost“ als zutreffend bezeichnet.

Die Sittenwidrigkeit eines Verzeichniseintrages wurde von den Gerichten auch anschließend durchgehend verneint (siehe z. B. OLG Hamm, Urteil vom 07.10.2016, I-12 U 38/15; OLG Rostock, Urteil vom 13.07.2017, Az. 1 U 103/15; LG Kleve, Urteil vom 08.07.2016, Az. 5 S 97/15; LG Darmstadt, Beschluss vom 14.10.2019, Az. 24 S 10/18).

b) LG Hagen (2020)

Im Jahre 2020 hatte das LG Hagen Gelegenheit, sich mit dem Hinweisbeschluss des LG Wuppertal zu befassen und hat diesen im Ansatz für verfehlt angesehen (LG Hagen, Hinweisbeschluss vom 18.06.2020, Az. 1 S 19/20). Es ging um die Klage eines Verzeichnisbetreibers in Höhe von 1.498,00 EUR zzgl. MwSt. für den Zeitraum von 3 Jahren. Das AG Hagen (Urteil vom 10.01.2020, Az. 16 C 125/19) hatte der Vergütungsklage stattgegeben und den vom Gegner vorgebrachten Sittenwidrigkeitseinwand unter Hinweis auf das auch vom LG Wuppertal erwähnte Urteil des BGH (vom 06.05.2003, XI ZR 226/02) als nicht stichhaltig angesehen. Im Berufungsverfahren hatte der Gegner die Entscheidung des LG Wuppertal auch thematisiert. Das LG Hagen gab der Berufung keine Erfolgsaussichten und führte u. a. aus:

„Zu Recht hat das Amtsgericht keine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 oder 2 BGB angenommen. …

Insbesondere ist der Vortrag zu den Voraussetzungen einer Nichtigkeit gem. § 138 BGB auch in den Augen der Kammer nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Dies gilt auch, soweit der Beklagte vorträgt, der durch die Klägerin vorgenommene Eintrag in das Branchenverzeichnis f…com sei für ihn wertlos, da das Verzeichnis bei Recherchen zu den Suchbegriffen „Branchenverzeichnis“, „Branchenbuch“ oder „Gelbe Seiten“ in den üblichen Internet-Suchmaschinen nicht auf den ersten 5 Seiten angezeigt werde. Der Kammer ist bewusst, dass das Landgericht Wuppertal (Hinweisbeschluss vom 05.06.2014 – 9 S 40/14 – NJOZ 2014, 1891) eine solche Recherche zur Bewertung des Branchenverzeichnisses www.Branche100.eu herangezogen hat. Gleichwohl kann allein aus dem negativen Ergebnis einer solchen Recherche nicht auf die objektive Wertlosigkeit der Eintragung geschlossen werden. Es gibt eine Vielzahl möglicher Suchbegriffe, die ein potentieller Kunde auf der Suche zum Beispiel nach einem Fliesenleger eingeben mag. So hat eine eigener Recherche der Kammer zum Stichwort „Firmenauskunft“ ergebe, dass das Firmenverzeichnis der Klägerin jeweils auf der ersten Seite als Treffer Nr. 5 (google) nd Treffer Nr. 7 (bing) angezeigt wird. Die Kammer kann also gerade nicht feststellen, dass das Verzeichnis für interessierte Nutzer nicht auffindbar wäre. Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass zwischen den Parteien ein bestimmtes Ziel des Eintrags, insbesondere ein bestimmter Erfolg im Rahmen einer Internetrecherche nach f…com vereinbart wurde. Diese ist damit nicht Kern der Einschätzung des Werts der vereinbarten Eintragung.

Ebenso wenig kann der Beklagte mit dem Einwand durchdringen, bei anderen Anbietern sei ein Eintrag in ein Branchenverzeichnis kostenlos. Konkrete Angebote, aus denen sich das ergeben würde, hat er nicht vorgelegt. Andererseits ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, dass zum Beispiel bei den Gelben Seiten für einen Eintrag ebenfalls ganz erhebliche Kosten anfallen.“

Das LG Hagen hat die Schwächen der Argumentation des LG Wuppertal offengelegt. Die These des auffälligen Missverhältnisses zwischen Vergütung und Verzeichniseintrag ist nicht haltbar, da Mitbewerber der jeweiligen Klägerseite ebenfalls entsprechend hohe Vergütungen fordern. Ferner hat das LG Hagen aufgezeigt, dass das Nutzerverhalten eben wesentlich komplexer ist, als vom LG Wuppertal dargestellt, und dass der Vertragsinhalt nicht ansatzweise eine Zieldefinition enthält, auf welcher Seite der Trefferliste der Suchmaschinen der Verzeichnisbetreiber selbst zu erscheinen hat und mit welchen Begriffen überhaupt gesucht werden sollte.

Vor dem Hintergrund des § 138 BGB und der einschlägigen Rechtsprechung sieht es so aus, als habe das LG Wuppertal mit dem Postulat, der Verzeichnisbetreiber müsse spätestens auf der 5. Seite der Trefferliste einer Suchmaschine einen Treffer erzielen können, seine Kompetenzen überzogen und sich als eine Art „Ersatzgesetzgeber“ betätigt.

III. Fazit

Der einige Jahre alte Hinweisbeschluss des LG Wuppertal überzeugt nicht. Die Bedeutung des Ranking eines Vertragspartners kann nicht in der vom Gericht angenommenen Weise als generelles Sittenwidrigkeits-Kriterium angesehen werden. Denkbar wäre eine solche Würdigung, wenn es vertragliche Ansätze gibt, die der Platzierung eine solche Bedeutung zukommen lassen. Bei einem Vertrag über die Erstellung und das Vorhalten eines Internetverzeichniseintrages sind das Nutzerverhalten und die Wirkungsweise eines solchen Eintrags zu komplex, um alleine aus einer schlechten Platzierung des Verzeichnisbetreibers selbst in Trefferlisten der Suchmaschinen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründen zu können. Eine Festlegung, dass der Verzeichnisbetreiber spätestens auf der 5. Trefferseite einer Suchmaschine erscheinen müsse, ist in dieser starre Weise nicht mit dem Gesetz vereinbar. Die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit dürften regelmäßig fehlen, da sich Unternehmer in der Regel auf Augenhöhe begegnen.

Dr. Harald Schneider
RA + FA IT-Recht