Der Vorwurf des Betrugs kommt im privaten und im geschäftlichen Bereich – sowohl bei juristischer also auch bei laienhafter Verwendung – vor. Insbesondere kommt es regelmäßig vor, dass unzufriedene Kunden den Betrugsvorwurf äußern, insbesondere in Bewertungen, Anzeigen, Beschwerden oder „Erfahrungsberichten“. Je nach Fallgestaltung kommen Unterlassungsansprüche (§§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 I GG; § 823 BGB iVm Ehrverletzungsdelikten des StGB; § 824 BGB oder § 826 BGB) in Betracht. Der Unterlassungsanspruch kommt nur bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder persönlichkeitsrechtsverletzenden Werturteilen in Frage. Werturteile sind grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) umfasst. Daher ist bei der Beanstandung eines Werturteils die Meinungsfreiheit mit dem Schutz der Ehre als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abzuwägen. Wegen des hohen Stellenwerts der Meinungsfreiheit endet der Schutzbereich bei Werturteilen im Wesentlichen erst bei Formalbeleidigung und Schmähkritik. Bei Vorwürfen, die sich nur auf von jedermann im Sprachgebrauch verwendete Gesetzestatbestände (Betrug, Erpressung, Raub, Wucher u. ä.) als Meinungsäußerung ohne verfälschende Verbindung mit Tatsachen beziehen, ist von Werturteilen auszugehen. Falls eine Tatsachenbehauptung beanstandet wird, muss deren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Komplizierte Abwägungen sind vorzunehmen, wenn sich Werturteile mit Tatsachenbehauptungen vermischen, so dass man auslegen und die Schwerpunkte des Vorwurfs ermitteln muss.
Die Grundsätze sind kürzlich – bei einem dem Betrug ähnlichen Vorwurf – vom BGH (Urteil vom 28.09.2022, Az. VIII ZR 319/20 angewendet worden. Dieser vertrat die Ansicht, dass der dortigen Klägerin als bewertetem Unternehmen kein Anspruch auf Entfernung der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ zustehe. Das Gericht stellte fest, dass bei Werturteilen – wie vorliegend – die allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik zu berücksichtigen sei.
Mit dem Fall des Betrugsvorwurfs, der in Verbindung mit Tatsachen geäußert wurde, hatte sich das OLG Dresden, Urteil vom 25.07.2023, Az. 4 U 125/23 – Eingabe des Az. in die Suchmaske erforderlich) zu befassen gehabt. Das Gericht hat klargestellt, dass auch juristische Personen des Privatrechts schutzwürdig sind und dass es bei der Verwendung von Gesetzesbegriffen (im vorliegenden Fall „Betrug“) nicht auf eine korrekte juristische Fallbewertung ankommt. Diese kann auch von einem juristischen Laien nicht erwartet werden.
Leitsätze des Senats:
- Juristische Personen des Privatrechts können den Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts insoweit in Anspruch nehmen, als ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist.
- Der Vorwurf strafbaren Handelns (hier: „Betrug“) kann dann als Tatsachenbehauptung anzusehen sein, wen er wesentlich durch die Bezugnahme auf konkrete Tatsachen geprägt ist.
- Sind die Tatsachen als wahr anzusehen, ist die Äußerung im Rahmen der Abwägung regelmäßig zulässig; ob die Bewertung nach Maßgabe der Vorschriften des
Strafgesetzbuches juristisch zutrifft, ist hierfür ohne Belang.