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BGH: Corona-Soforthilfe ist eine nicht pfändbare Forderung

Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung, sofern keine besonderen Vorschriften vorrangig sind, der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. Eine nicht übertragbare Forderung unterliegt damit nicht der Pfändung. § 399 Alt. 1 BGB bestimmt, dass eine Forderung nicht abgetreten (übertragen) werden kann, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.

Von dieser Regelung sind Forderungen erfasst, die aufgrund ihres Leistungsinhalts eine so enge Verknüpfung zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses herbeiführen, dass ein Wechsel in der Gläubigerperson als unzumutbar anzusehen ist beziehungsweise die Identität der Forderung nicht gewahrt bleibt.

Vor diesem Hintergrund hatte der BGH zu entscheiden, ob eine – auf Basis des Bundesprogramms „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und des ergänzenden Landesprogramms „NRW-Soforthilfe 2020“ – gezahlte Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 EUR der Pfändung unterliegt (Beschluss vom 10.03.2021, Az. VII 24/20). Dies hat der BGH verneint. Bei der Corona-Soforthilfe handele um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung.

Der betroffenen Schuldnerin war mit Bescheid der Bezirksregierung K. vom 29.03.2020 aufgrund des Programms zur Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und dem ergänzenden Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“ eine Zuwendung in Höhe von 9.000 EUR bewilligt und ausgezahlt worden. Die Bewilligung der Corona-Soforthilfe erfolgte mit der folgenden Maßgabe:

„…

  1. Zweckbindung
    Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung. Die Soforthilfe dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe.
  2. Aufrechnungsverbot
    Für die bewilligte Soforthilfe gilt ein direktes Verrechnungs- beziehungsweise Aufrechnungsverbot mit bereits bestehende(n) Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung der Soforthilfe darf es nicht zu einer zwangsläufigen Bedienung bereits bestehender Kontokorrentforderungen oder sonstiger Zins- und Tilgungsforderungen kommen …“
  3. Nebenbestimmungen

  1. Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen, dass diese Finanzhilfe höher ist als ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf das Konto der Landeskasse (…) zurückzuzahlen. …“

Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben wertete der BGH die Corona-Soforthilfe als zweckgebunden und damit als von der Regelung des § 399 Alt. 1 BGB erfasst. Er führte hierzu aus:

„Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe sind der Bewilligungsbescheid und die Programme des Bundes und der Länder heranzuziehen. Ausweislich dieser Programme und des diese umsetzenden Bescheids dient die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt (1.2 und 1.3 NRW-Soforthilfe 2020, Ministerialblatt – MinBl – Nordrhein-Westfalen 2020, S. 360), der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie soll nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken.

Ausdrücklich nicht umfasst sind nach dem Bescheid vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten beziehungsweise Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung geht hervor, dass die Corona-Soforthilfe nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die – wie im Streitfall – vor dem 1. März 2020, sondern nur solchen, die seit dem 1. März 2020 entstanden sind. Die Mittel sind zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat.“