Rechtsprechung

BGH: Zum Beginn der Verjährung des Vertragstrafenanspruchs

Im Jahre 1995 (Urteil vom 12.07.1995, Az. I ZR 176/93) hatte der BGH klargestellt, dass bei einem Verstoß gegen einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrag ein erneuter Unterlassungsanspruch sowie Schadenersatzansprüche der kurzen Verjährung von 6 Monaten (§ 21 UWG a.F. = § 11 UWG n.F.) unterliegen. Für Ansprüche auf verwirkte Vertragsstrafe hingegen bleibt es bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Der BGH (Urteil vom 27.10.2022, Az. I ZR 141/21 – Vertragsstrafenverjährung) hatte sich nun erneut mit der Thematik der Verjährung von verwirkten Vertragstrafen zu befassen, wobei es insofern um den Verjährungsbeginn ging. In dem konkreten Fall kam es am 19.06.2013 zum Abschluss eines urheberrechtlichen Unterlassungsvertrags wegen der unberechtigten Verwendung eines von einem Berufsfotografen (Kläger) gefertigten Lichtbildes. Der Unterlassungsvertrag kam nach dem sog. „Neuen Hamburger Brauch“ zustande, d. h. mit dem Recht des Gläubigers, eine Vertragsstrafe nach billigem Ermessen zu bestimmen, die vom Gericht auf Angemessenheit überprüft werden kann. Das streitgegenständliche Lichtbild blieb noch bis Mai 2014 als Produktabbildung in den Verkaufspräsentationen des Unterlassungsschuldners (des Beklagten). Der Kläger forderte den Beklagten mit Einschreiben vom 22.12.2016 zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.600,00 EUR auf. Der Beklagte verweigerte die Annahme des Einschreibens. Der Kläger versandte am 12.12.2017 ein inhaltsgleiches Einschreiben, das der Beklagte nicht abholte, und am 14.12.2017 eine gleichlautende Email. Mit dem Beklagten zugegangenem Schreiben vom 16.10.2019 sowie mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2019 forderte der Kläger den Beklagten erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.250,00 EUR auf. Mit der am 23.12.2019 beim AG Köln eingegangenen und dem Beklagten am 23.12.2020 zugestellten Klage hatte der Kläger den Beklagten auf Zahlung der Vertragsstrafe, Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen in Anspruch genommen. Der Beklagte erhob die Verjährungseinrede. Die Vorinstanzen (AG und LG Köln) hatten die Klage abgewiesen mit der Begründung, ein möglicher Vertragsstrafeanspruch sei spätestens mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt, so dass die im Jahr 2019 eingegangene Klage die Verjährung nicht mehr habe hemmen können. Das LG Köln hatte die Revision zugelassen. Das vom Kläger betriebene Revisionsverfahren war erfolgreich und führte zur Aufhebung und Zurückweisung an das LG Köln.

Der BGH bestätigte zunächst, dass für Ansprüche auf Zahlung verwirkter Vertragstrafe die regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) von drei Jahren einschlägig ist. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen, und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2). Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei so auszulegen, dass die Verjährung grundsätzlich erst mit der Fälligkeit eines Anspruchs beginnt. Besteht die geschuldete Leistung in einem Unterlassen, so trete gemäß § 339 Satz 2 BGB die Verwirkung der Vertragsstrafe mit der Zuwiderhandlung ein. Mit dem schuldhaften Verstoß des Schuldners gegen seine strafbewehrte Unterlassungserklärung falle die Vertragsstrafe automatisch an. Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ werde allerdings – anders als ein Anspruch auf Zahlung einer vereinbarten festen Vertragsstrafe – nicht schon mit der Zuwiderhandlung fällig, sondern erst, wenn der Gläubiger nach § 315 Abs. 1 und 2 BGB sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam konkretisiert hat. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger die Bestimmung der zu zahlenden Vertragsstrafe mit Schreiben vom 22.12.2016 erklärt. Damit wurde der Vertragsstrafeanspruch fällig. Die Verjährung begann somit gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des Jahres 2016. Insofern liegt diese Fallkonstellation nicht anders als bei anderen Ansprüchen mit hinausgeschobener, von der Disposition des Gläubigers abhängiger Fälligkeit.

Durch eine verzögerte Festlegung der Vertragsstrafe seitens des Gläubigers werden nach der Ansicht des BGH die schutzwürdigen Belange des Schuldners regelmäßig nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Falls der Gläubiger sein Leistungsbestimmungsrecht nicht innerhalb einer objektiv angemessenen Zeit ausübt und der Schuldner Klarheit darüber gewinnen möchte, ob und in welcher Höhe er eine Vertragsstrafe verwirkt hat, so kann er nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Klage auf Leistungsbestimmung durch das Gericht erheben und durch die Erwirkung eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils die Fälligkeit des Vertragsstrafeanspruchs und damit den Verjährungsbeginn selbst herbeiführen. Dem Schuldner, der zeitliche Unwägbarkeiten bei der Durchsetzbarkeit einer Vertragsstrafe von vornherein vermeiden möchte, stehe es im Übrigen frei, bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung statt einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ eine feste Vertragsstrafe zu vereinbaren.