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LG Meiningen: Maschinenschriftliche Signatur ausreichend, falls der Anwalt einen Schriftsatz über sein eigenes beA versendet

Beim AG Meiningen gibt es zwei Zivilabteilungen, die – soweit ersichtlich – als einzig verbliebene deutsche Spruchkörper die Auffassung vertreten, ein Anwalt müsse qualifiziert elektronisch signieren, wenn er Schriftsätze aus seinem eigenen besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versendet. Insofern besteht offenbar ein beharrlich geführter Meinungsstreit mit dem LG Meiningen, das der ansonsten einheitlichen gegenteiligen Rechtsprechung folgt. Die rechtliche Thematik wird nachstehend an Hand eines Verfahrens bei der Abteilung 14 des AG Meiningen und der diesbezüglichen Berufungsentscheidung verdeutlicht.

I. Verfahrensverlauf

Am 03.12.2019 sendete ein Prozessbevollmächtigter für die von ihm vertretene Klägerpartei auf seinem Kanzleibriefbogen mit dem vorgenannten Datum eine Anspruchsbegründung aus seinem eigenen beA an das AG Meiningen. Am Ende des Schriftsatzes befanden sich in Maschinenschrift der Vor- und Nachname des Anwalts sowie der Zusatz „Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht“.

Das AG Meiningen wies nach Eingang des Schriftsatzes darauf hin, die Klage sei unzulässig. Die „Aneinanderfügung einzelner Buchstaben am Ende des Dokuments“ sei „denknotwendig“ kein Signieren. Die ZPO kenne keine „einfache „Signatur“, das könne man im Duden nachlesen: „Kein normal verständiger Bürger versteht unter signieren Namen in Druckbuchstaben durch Datenverarbeitung wiedergeben“. „Weit überwiegend“ würden die Anwälte ihre Schriftsätze signieren und, falls nicht, würden sie aufgefordert und würden dann nachbessern. Sodann erfolgten noch Vorwürfe in Richtung des Gesetzgebers:

„Gleichwohl kann es nach Auffassung des Gerichts nicht angehen, mögliche Fehler im Gesetzgebungsverfahren und die möglicherweise bestehende Unfähigkeit des Gesetzgebers, handwerklich gut gemachte und sprachlich gut formulierte Gesetze zu verabschieden, dadurch auszugleichen, dass die Judikative diese Arbeit mal eben mit erledigt. Dies widerspricht der Gewaltenteilung und torpediert jede Rechtssicherheit.“

Zunächst weigerte sich das Gericht, einen Termin anzuberaumen bzw. über die Zulässigkeit der Klage abgesondert zu verhandeln (§ 280 Abs. 1 ZPO), weil keine Anspruchsbegründung im Rechtssinne vorliegen würde. Erst nachdem der gegnerische Prozessbevollmächtigte den Terminsantrag gestellt hatte, ging das Verfahren weiter.

Das AG Meiningen wies die Klage dann als unzulässig ab (Urteil vom 26.10.2020, Az. 14 C 594/19) mit der Begründung, der Schriftsatz vom 03.12.2019 sei nicht qualifiziert elektronisch signiert worden.

Im Urteil wiederholte das AG Meiningen die schon in den Hinweisen vorgebrachten Argumente und erwähnte – unter heftiger Kritik an der übergeordneten Berufungskammer, die seine Argumentation entweder nicht lese oder nicht verstehe –, dass es von der Aufhebung seines Urteils ausgehe.

Auf die vom Kläger hin eingelegte Berufung entschied das LG Meiningen (Urteil vom 06.04.2021, Az. (30) 1 S 109/20) dann wie zu erwarten war. Es hob das amtsgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Meiningen zurück. Das Berufungsgericht fasste sich angesichts der eindeutigen und aus dem Gesetz abzuleitenden Rechtslage kurz und ging nicht auf die Interpretation einer einfachen Signatur an Hand des Duden ein:

„Das beA ist nach der Legaldefinition des § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO ein sicherer Übermittlungsweg. Die Authentizität des Absenders ist dadurch sichergestellt, dass die Bundesrechtsanwaltskammer für jedes Kammermitglied nach Überprüfung der Zulassung ein elektronisches Postfach führt, zu dem das Mitglied nur mittels Chipkarte und PIN Zugang erhält. Die Karte darf keiner anderen Person überlassen, die PIN muss geheim gehalten werden. Die einfache Signatur mein die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (s. BAG, Beschluss vom 14.09.2020, 5 AZB 23/20; OLG Braunschweig in NJW 2019, 2176, Fritsche in MüKo, ZPO, 6. Aufl. § 130a Rn. 14, Greger in Zöller, ZPO 33. Auflage § 130a Rn. 9). Dieser einfache Signaturprozess wird in seiner Beweiskraft verstärkt indem ein zusätzlicher Authentifizierungsschritt mittels PIN Codes hinzugefügt wird.“

II. Weitere Entscheidungen

Das LG Meiningen hat in seinem Urteil bereits die Entscheidungen des BAG und des OLG Braunschweig erwähnt. Aus diesen ergibt sich, dass jedenfalls beim Versand über das eigene beA des Anwalts die Voraussetzungen der §§ 130a Abs. 3, Alt. 2 iVm § 130 Abs. 4 Nr. 2 ZPO vorliegen. Die Erleichterung, ohne qualifizierte elektronische Signatur (qeS) zu senden, gilt seit dem 01.01.2018 infolge der Neufassung des § 130a ZPO. Nur dann, wenn der Anwalt, der die Verantwortung für den Schriftsatz trägt, über sein eigenes beA versendet, kann auf die qeS verzichtet werden (vgl. Ulrich/Schmieder, NJW 2019, 113: „… genügt … eine einfache Signatur der verantwortenden Person, etwa in Form des getippten Namenszugs als Abschluss des Dokuments“). Wird das Dokument von einem Mitarbeiter versendet, muss es weiterhin mit einer qeS versehen sein (siehe auch BAG, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 8 AZN 589/19;  LG Hagen, Beschluss vom 22.08.2019, Az. 7 T 15/19; AG Stockach, Beschluss vom 29.11.2019, Az. M 794/19 – Vollstreckungsauftrag per beA; ArbG Lübeck, Verfügung vom 19.06.2019, Az. 6 Ca 679/19; Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 130a Rn. 11; BRAK-Mitteilungen 5/2019, S. 266; Viefhues, Elektronischer Rechtsverkehr, Ausgabe 2 / 2017,  Rn. 35; Nitschke, Was beim Einreichen elektronischer Dokumente zu beachten ist, BRAK Magazin, Ausgabe 1/2020). Soweit ersichtlich, gibt es außer dem AG Meiningen kein Gericht, das dies heute noch anders sieht.

Die Ausführungen des AG Meiningen, die maschinenschriftliche Namensangabe des Anwalts am Ende des Schriftsatzes erfülle nicht die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „signiert“ (§ 130a Abs. 3, Alt. 2 ZPO), ist ersichtlich rechtsirrig (so ausdrücklich LG Hagen, Beschluss vom 22.08.2019, Az. 7 T 15/19). Das SignaturG, in dem bereits die einfache Signatur geregelt war, ist am 29.07.2017 außer Kraft getreten und wurde durch das VertrauensdiensteG (VDG, Gesetz zur wirksamen Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt, kurz „eIDAS-Verordnung“) abgelöst. Die elDAS-Verordnung gilt seit dem 01.07.2016 (Art. 50 Abs. 1). Dem VDG kommt insoweit ergänzende und präzisierende Funktion zu (Spindler/Schuster/Spindler, Recht der elektronischen Medien, 4. Auflage, § 126a BGB Rn. 1). Auch dort ist die Unterscheidung zwischen einfachen, fortgeschrittenen und qualifizierten elektronischen Signaturen beibehalten worden (siehe Begriffsbestimmungen in Art. 3 Nr. 10 – 12 eIDAS-VO).

Dass ein „normaler Bürger“ das Gesetz nicht versteht, wie das AG Meiningen meint, ist eine unbewiesene Behauptung, und ob es beim AG Meiningen eine Gewohnheit gibt, dass Rechtsanwälte freiwillig qualifiziert elektronisch signieren, ist juristisch betrachtet rechtsunerheblich. Soweit ein Anwalt über ein fremdes beA versendet oder nach materiellem Recht die Schriftform einzuhalten hat (z. B. im Schriftsatz integrierte Kündigung, die der Schriftform bedarf), muss qualifiziert elektronisch signiert werden. Ein solcher Fall lag aber bei der streitgegenständlichen Anspruchsbegründung nicht vor. In einem solchen Fall würde die fehlende qeS auch nicht zur Formunwirksamkeit des Schriftsatzes, sondern zur Formunwirksamkeit der materiellen Erklärung (z. B. Kündigung) führen.

 

III. Fazit

Ein „Signaturstreit“, wie er beim AG Meiningen zur Zeit zu führen ist, kostet die Parteien viel Zeit. Im vorstehend geschilderten Fall belief sich die Verzögerung auf ca. 1 ½ Jahre. Ferner kostet die Auseinandersetzung mit der Mindermeinung des AG Meiningen den Verlierer des Prozesses zusätzliches Geld. Die Gerichtskosten sind ggf. nach § 21 GKG niederzuschlagen, die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren sind jeder Partei entstanden. Von den rechtlichen Erfolgsaussichten her ist ein Berufungsverfahren allerdings sicher zu gewinnen.

Der Verzögerung durch Nicht-Terminierung kann entgegengewirkt werden, wenn der Gegner mitwirkt und Terminsantrag stellt. Andernfalls ist über eine Untätigkeitsbeschwerde nachzudenken. Auch in einem weiteren Verfahren (Abteilung 12 des AG Meiningen, die wie die Abteilung 14 die qeS in jedem Falle fordert) ging das Verfahren zunächst nicht weiter, weil der per beA unsigniert versendete Schriftsatz nicht als rechtsgültig anerkannt wurde. Die Lösung war, wie im Verfahren vor der Abteilung 14 geschehen, die gegnerischen Prozessbevollmächtigten um die Stellung des Terminsantrages zu bitten. Anders als im Verfahren der Abteilung 12, erfolgte hier die Terminierung dann erst nach Einreichung einer Dienstaufsichtsbeschwerde.

 

Dr. Harald Schneider
RA + FA IT-Recht