Rechtsprechung

KG Berlin: Unterlassungsverträge sind nicht nach den für Vollstreckungstitel geltenden Grundsätzen auszulegen

Ein Onlinehändler war von einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Wirtschaftsverband wegen fehlender Garantieinformationen (§ 479 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB) abgemahnt worden. Der Händler gab eine von seinem beauftragten Rechtsanwalt modifizierte Unterlassungserklärung ab. Diese war wesentlich kürzer und unkonkreter gefasst als gefordert, nahm Bezug auf die rechtlichen Vorgaben und stellte sich im Ergebnis durch den Bezug auf das geltende Recht zukunftsweisend noch als weitergehend als gefordert dar. Der abmahnende Verband nahm die Unterlassungserklärung an. Es kam in der Folgezeit zu einem Verstoß, für den der Verband eine Vertragsstrafe forderte, die vom Händler bezahlt wurde. Sodann beging der Händler 5 weitere Verstöße, indem er für von der Unterlassungserklärung erfasste Haushaltsgeräte jeweils nur auf eine Garantie hinwies, ohne aber die Garantieinformationen wie gesetzlich gefordert zu erläutern. Der Verband forderte nun 7.500,00 EUR für die weiteren Verstöße, die als natürliche Handlungseinheit zusammengefasst geltend gemacht wurden. Da der Händler die Zahlung verweigerte, verklagte ihn der Verband vor dem LG Berlin auf Zahlung in der geltend gemachten Höhe. Im Prozess verteidigte sich der Händler damit, der Unterlassungsvertrag sei „bezüglich der rechtlich erforderlichen Angaben“ zu unbestimmt. „Innerhalb des Unterlassungsvertrags“ sei nicht konkret genug beschrieben oder aufgezählt worden, was die rechtlich erforderlichen Angaben seien. In der vom Verband mit der Abmahnung übermittelten Unterlassungserklärungsvorlage waren diese Beschreibungen zwar enthalten, wurden dann aber vom Bevollmächtigten des Händlers durch die Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften beseitigt. Das LG Berlin folgte der Argumentation des beklagten Händlers und wies die Klage des Verbandes ab. Dagegen legte der Verband Berufung ein, die Erfolg hatte.

Das KG Berlin (Urteil vom 28.05.2021, Az. 5 U 129/19) stellte klar, dass entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die restriktiven Grundsätze heranzuziehen sind, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Vollstreckungstitels für dessen Vollstreckbarkeit entwickelt worden sind. Denn dem Vertragstrafeversprechen fehlt der Charakter und somit das finale Element eines Vollstreckungsitels. Ein Unterlassungsvertrag kann – wie jeder andere Vertrag auch – in einem besonderen Streitverfahren überprüft und beurteilt werden. Aus diesem Grunde sind die Parteien bei der Gestaltung des Inhalts einer Vertragstrafeverpflichtung frei und insbesondere nicht an die konkrete Verletzungsform einer bestimmten Verletzungshandlung gebunden. Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemein für die Vertragsauslegung gültigen Regeln (§§ 133, 157 BGB). Auf der Grundlage des insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizonts wurde im vorliegenden Falle deutlich, dass der Beklagte sich dazu verpflichtet hatte, es zu unterlassen, in der Werbung für seine Produkte auf eine „Garantie“ hinzuweisen, ohne zugleich diejenigen Angaben zu machen, die das „Recht“, also insbesondere das Gesetz, im Zeitpunkt der jeweiligen Werbung fordert. In der Berufungsverhandlung wies das Gericht darauf hin, dass der Bevollmächtigte des Beklagten durch seine Änderungen dem Beklagten keinen Gefallen getan hat, da er die Unterlassungserklärung mit Bezug auf die jeweils gültige Rechtslage jedenfalls von der Formulierung her noch verschärft hatte.

Die Verstöße selbst waren zwischen den Parteien nicht streitig. Unter Berücksichtigung des von der Rechtsprechung anerkannten Ermessensspielraums des Gläubigers bei der Bestimmung der Vertragstrafenhöhe sah das Gericht die Klage als begründet an und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 7.500,00 EUR nebst Zinsen.