Vermeintlich „findige“ Anwälte versuchen derzeit, sich – bei offensichtlich vorhandenen Wettbewerbsverstößen – zusätzlich zu den vorgerichtlichen Gebühren, auch noch die gerichtlichen Gebühren zu verdienen, indem die Aktivlegitimation eines nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigten Verbandes mit diversen Argumentationen bestritten wird, z. B. mit den „Einwänden“:
- Mitgliederbestand nicht “repräsentativ”
- keine Mitgliederliste vorgelegt
- keine Namen von Mitglieder benannt
Mit kurzem Bestreiten wird von solchen Anwälten insofern eine Abmahnung ohne großen Aufwand zurückgewiesen, um in ein gerichtliches Verfahren zu gelangen. Ab dann ist nach der Rechtsprechung die Vorlage einer für das betroffene Marktsegment relevanten Mitgliederliste erforderlich. Nachdem der Verband in diesem Verfahren die Liste vorgelegt hat, wird anerkannt. Ferner wird argumentiert, es handele sich um ein von den Kosten befreiendes sofortiges Anerkenntnis (§ 93 ZPO), weil vorgerichtlich die Mitgliederliste verweigert worden sei und der Abgemahnte nach Vorlage der Liste im gerichtlichen Verfahren sofort reagiert habe. Damit hat der Anwalt des Abgemahnten – auf Basis des hohen wettbewerbsrechtlichen Streitwertes – die Verfahrens- und Terminsgebühr sowie die Auslagenpauschale verdient.
So geschah es auch im Falle des LG Darmstadt. Der Anwalt des Abgemahnten empfahl diesem trotz eindeutiger Wettbewerbsverstöße, sich darauf zu berufen, die Mitgliederliste sei im Abmahnverfahren nicht vorgelegt worden. Nach Erlass einer einstweiligen Verfügung und nach Vorlage der Mitgliederliste erkannte der Anwalt für seinen Mandanten die Ansprüche an. Das Gericht legte dessen Mandanten die Kosten auf. Bei einem Streitwert von 20.000,- EUR bedeutet das für den Abgemahnten eine Kostenbelastung von mehr als 4.000,00 EUR (3.750,00 EUR netto eigener Anwalt + Kostenerstattung an den gegnerischen Anwalt sowie Gerichtskosten von 345,00 EUR).
Die Argumentation von Anwälten, die einen abgemahnten Unternehmer dazu veranlassen, eine Abmahnung wegen verweigerter Vorlage einer Mitgliederliste zurückzuweisen, ist unschlüssig, unseriös und treibt deren Mandanten in die Kostenfalle. Es gibt – soweit bekannt – kein Gericht, das im Abmahnverfahren die Vorlage von Mitgliederlisten oder die Benennung von Mitgliedern verlangt (die Entscheidung des LG Bielefeld, Urteil vom 08.11.2016, Az. 15 O 63/16, wurde vom OLG Hamm in der Berufungsinstanz durch Beschluss vom 23.02.2017, Az. 4 W 102/16, aufgehoben). Das ist schon mit dem Sinn und Zweck einer Abmahnung und den regelmäßig kurzen Fristen nicht vereinbar. Auch bei der Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs (dort Mahnung genannt) wird vom Anspruchssteller nicht verlangt, dass er seine Mahnschreiben in einer dem gerichtlichen Verfahren entsprechenden Schlüssigkeits-Dichte verfasst.
Das LG Darmstadt (Urteil vom 31.03.2017, Az. 14 O 13/17) hat aktuell nochmals bestätigt, dass in einer Abmahnung keine Angaben zur Anzahl von Mitgliedern oder gar Namen von Mitgliedern aufgeführt werden müssen. Die Auffassung steht in Einklang mit der vg. Entscheidung OLG Hamm (Beschluss vom 23.02.2017, Az. 4 W 102/16, so auch Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl. 2017, Kap. 2, Rn 23). Das OLG Hamm hatte festgestellt:
„Eine Obliegenheit, die einzelnen Verbandsmitglieder [z.B. in einer Mitgliederliste] namhaft zu machen, trifft einen Verband hingegen im Abmahnverfahren – anders als in einem ggf. nachfolgenden gerichtlichen Verfahren – (noch) nicht.“
Das LG Darmstadt hat insofern stärker auf die Bedeutung des § 93 ZPO abgestellt. Die Argumentation des Anwalts des Antragsgegners wurde sehr deutlich als „rechtsirrig“ bezeichnet. Das LG Darmstadt führt weiter aus:
„Veranlassung zur Anrufung des Gerichts ist nämlich bereits dann gegeben, wenn das Verhalten eines Beklagten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage so geartet war, dass der Verfügungskläger annehmen musste, er werde nur durch die Einleitung des streitgegenständlichen Verfahrens zu seinem Recht kommen (Zöller/Freyer, § 93 ZPO, Rdnr. 3 mit weiteren Nachweisen).
Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO hat der Verfügungsbeklagte im vorliegenden Fall schon deshalb gegeben, weil er das Verlangen des Verfügungsklägers auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vorgerichtlich zurückweisen ließ, womit der Verfügungskläger hinreichend Anlass zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens hatte. Insoweit kommt es nicht auf die materielle Rechtslage bzw. die Frage an, ob und ab wann der geltend gemachte Anspruch materiellrechtlich begründet war, weil allein das tatsächliche Verhalten des Verfügungsbeklagten selbst für die Frage, ob § 93 ZPO zu seinen Gunsten angewendet werden kann, entscheidend ist.
Das tatsächliche vorgerichtliche Verhalten des Beklagten schließt im vorliegenden Fall eine Anwendung des § 93 ZPO zu seinen Gunsten aus, weshalb ihm die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 ZPO aufzuerlegen waren.“