Rechtsprechung

EuGH: Vorgaben der EU-Geldwäsche-Richtlinie betreffend „Transparenzregister“ teilweise nichtig

Nach § 19 Abs. 1 GwG sind im Transparenzregister im Hinblick auf Vereinigungen nach § 20 Abs. 1 S. 2 GwG und Rechtsgestaltungen nach § 21 GwG folgende Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten nach Maßgabe des § 23 GwG zugänglich: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Wohnort, Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses und alle Staatsangehörigkeiten.

Die Vorgaben des GwG basieren auf der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie der Richtlinie (EU) 2018/843 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849. Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 ist das Ziel der Richtlinie die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Vor diesem Hintergrund sieht Art. 30 Abs. 1 dieser Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen angemessene, präzise und aktuelle Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer, einschließlich genauer Angaben zum wirtschaftlichen Interesse, einholen und aufbewahren müssen. Nach Art. 30 Abs. 3 dieser Richtlinie sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die in Art. 30 Abs. 1 genannten Angaben in einem zentralen Register in jedem Mitgliedsstaat aufbewahrt werden. Nach Art. 30 Abs. 5 dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer in allen Fällen zugänglich sind für die zuständigen Behörden und die zentralen Meldestellen (ohne Einschränkung), Verpflichtete im Rahmen der Erfüllung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden und allen Personen oder Organisationen, die ein berechtigtes Interesse nachweisen können.

Durch die Regelung des Art. 1 Nr. 15 lit c.) der Richtlinie (EU) 2018/843 wurde die Art. 30 Abs. 5 lit. c) dahingehend geändert, dass nunmehr alle Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer haben. Der bislang erforderliche Nachweis des berechtigten Interesses entfiel.

In einem Vorlageverfahren, das von einem Luxemburger Gericht initiiert worden war, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 22.11.2022, Az. C-37/20 und C-601/20, dass die Bestimmung des Art. 1 Nr. 15 lit c.) der Richtlinie (EU) 2018/843, die zur Änderung der Regelung in Art. 30 Abs. 5 Unterabsatz 1 lit. c) der Richtlinie (EU) 2015/849 führte, ungültig ist. Hiernach hatten die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Informationen über den wirtschaftlichen Eigentümer der in ihrem Gebiet eingetragenen Gesellschaften oder anderen juristischen Personen in allen Fällen für alle Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich sind. Der EuGH hat diese Regelung für nichtig erklärt.

Nach Ansicht des EuGH stellt der in der vorgenannten EU-Richtlinien vorgesehene Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer einen schwerwiegenden Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta verankerten Freiheiten dar. Art. 7 der Charta beinhaltet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 8 der Charta sieht den Schutz personenbezogener Daten vor. Der EuGH übersieht zwar nicht, dass die in den Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta verankerten Freiheiten keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen können, sondern im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion betrachtet werden müssen. Jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten müsse aber gesetzlich vorgesehen sein. Einschränkungen könnten unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich seien und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entsprächen. Den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genüge eine Regelung, die einen Eingriff vorsehe, wenn sie klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der vorgesehenen Maßnahmen und Mindestanforderungen aufstelle, damit die betroffenen Personen über ausreichende Garantien verfügten, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten von Missbrauchsrisiken ermöglichten. Der EuGH vertrat sodann die Ansicht, dass die Bestimmungen des Art. 30 Abs. 5a und Art. 30 Abs. 9 der Richtlinie (EU) 2015/849 in der Fassung gemäß der Richtlinie (EU) 2018/843 diese Anforderungen nicht erfüllt. Diese Regelungen seien weder geeignet zu belegen, dass eine ausgewogene Gewichtung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen mit den in Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta verankerten Freiheiten vorgenommen wurde, noch dass hinreichende Garantien bestünden, die es den betroffenen Personen ermöglichten, ihre personenbezogenen Daten gegen Missbrauchsrisiken zu schützen.

Aufgrund dieses EuGH-Urteils müssen die Regelungen im GwG, die den Zugang zu Informationen über den wirtschaftlich Berechtigten ermöglichen, dahingehend überprüft werden, ob sie den Vorgaben des EuGH-Urteils gerecht werden.

Der Bundesanzeiger Verlag GmbH als Betreiberin des Transparenzregisters hatte daher am 30.11.2022 mitgeteilt, dass bis auf Weiteres Anträgen von Mitgliedern der Öffentlichkeit gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG auf Einsichtnahme in das Transparenzregister nicht stattgegeben wird. Am 12.12.2022 teilte die Bundesanzeiger Verlag GmbH mit, dass Mitglieder der Öffentlichkeit den Antrag auf Einsichtnahme bei Antragstellung nunmehr zu begründen und ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme darzulegen haben. Die diesbezüglichen Mitteilungen der Betreiberin finden Sie hier. Der Bundesanzeiger Verlag GmbH wendet damit das in der Richtlinie (EU) 2015/849 vorgesehene Kriterium des berechtigten Interesses wieder ein (unionskonforme Auslegung).