Am 04.11.2018 schloss eine Verbraucherin mit der PE Digital GmbH mit Sitz in Hamburg, Betreiberin des Partnervermittlungs-Portals „Parship“ (www.parship.de), einen Vertrag über eine Premium-Mitgliedschaft für zwölf Monate zu einem Preis von 523,95 EUR. Dieser lag mehr als doppelt so hoch wie der, den die PE Digital GmbH manchem anderen ihrer Nutzer für dieselbe Vertragsdauer im selben Jahr berechnete. Die PE Digital GmbH belehrte die Verbraucherin entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 3 EGBGB über ihr Widerrufsrecht. Die Verbraucherin bestätigte der PE Digital GmbH, dass diese mit der vertraglichen Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen solle. Nachdem die Verbraucherin den Vertrag am 08.11.2018 widerrufen hatte, stellte ihr die PE Digital GmbH einen Betrag von insgesamt 392,96 Euro als Wertersatz in Rechnung. Die Verbraucherin erhob vor dem AG Hamburg Klage auf Rückzahlung sämtlicher an die PE Digital GmbH geleisteter Zahlungen. Das AG Hamburg setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH diverse Fragen in Bezug auf die Auslegung des Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83 zur Vorabentscheidung vor, die sich mit der zeitanteiligen Berechnung und Höhe des Wertersatzbetrages befasst, wenn die Vertragsleistungen bereits innerhalb der Widerrufsfrist begonnen haben. Der EuGH (Urteil vom 08.10.2020, Az. C-641/19) beantwortete die Fragen dahingehend, dass es sich bei dem auf der Webseite der Beklagten durchgeführten „Persönlichkeitstest“ nicht um die Lieferung „digitaler Inhalt“ handelt und dass für die Rückabwicklung auf die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und ein zeitanteiliger Betrag zu errechnen sei. Die bisherige Praxis der PE Digital GmbH, bis zu 75 % des Produktpreises beim Widerruf zu berechnen, ist damit rechtswidrig. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat eine umfangreiche Informationsseite eingerichtet und den von der PE Digital GmbH Geschädigten einen Musterbrief zur Verfügung gestellt, mit dem sie zu Unrecht gezahlte Beträge zurückfordern können.
You may also like
LG Hannover: Abtretung von Forderungen wegen Kartellschadenersatzes an Inkassounternehmen ist unwirksam
Wieder einmal ist ein Inkassounternehmen, das sich Forderungen hat abtreten lassen, daran gescheitert, dass die Grenzen der...
AG Bochum: Kein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO
Mit einem geltend gemachten Schadensersatzanspruch eines Betroffenen musste sich das AG Bochum (im Rahmen eines Prozesskostenhilfegesuchs)...
Schlechtes Ranking eines Vertragspartners als Sittenwidrigkeitskriterium?
In einem veröffentlichten Hinweisbeschluss hatte sich das LG Wuppertal (Beschluss vom 05.06.2014, Az. 9 S 40/14; Berufungsverfahren zu AG...