Rechtsprechung

BGH: Ungarische Mautforderungen, basierend auf Halterhaftung, können vor deutschen Zivilgerichten geltend gemacht werden

Der BGH (Urteil vom 28.09.2022, Az. XII ZR 7/22) hat u. a. über die Zuständigkeit deutscher Gerichte bezüglich der Geltendmachung einer ungarischen Straßenmaut entschieden. Geklagt hatte eine ungarische Gesellschaft, die mit der Geltendmachung ungarischer Autobahnmaut befasst ist. Diese hatte gegen einen deutschen Autovermieter geklagt. Vier der im Besitz der Beklagten stehenden Mietfahrzeuge wurden im November 2017 auf fünf Abschnitten einer ungarischen Autobahn genutzt, für die laut ungarischer Mautverordnung eine Autobahnmaut zu zahlen ist. Gemäß dem ungarischen Straßenverkehrsgesetz muss die Maut vom Halter eines Fahrzeugs entrichtet werden. Geschieht das nicht vor der Nutzung des Straßenabschnitts mittels Erwerbs einer (virtuellen) Vignette (sogenannte e-Matrica) für 2.975 ungarische Forint (HUF – ca. 7,30 EUR), so erhöht sich die Gebühr.

Im Falle der Nichtzahlung wird eine Grundersatzmaut fällig, die 1.4875 HUF beträgt (36,52 EUR). Diese ist nach Zahlungsaufforderung binnen 60 Tagen zu entrichten. Wird auch diese nicht bezahlt, kommt eine Zusatzgebühr von 59.500 HUF (146,06 EUR) hinzu. Die Klägerin verlangte insgesamt ca. 959,00 EUR nebst Zinsen und Inkassokosten in Höhe von 409 Euro. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein. Das LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.12.2021, Az. 2-01 S 78/21) verurteilte die Beklagte, 959,00 EUR (ohne Zinsen) und 363,00 EUR Inkassokosten zu zahlen. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Revision hatte nur teilweise Erfolg. Nicht die Höhe der Forderung, sondern lediglich die Frage, in welcher Währung geschuldet wird, sei entscheidungsrelevant.

Nach Artikel 21 der Verordnung EG Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (Rom I-VO) kann die Anwendung eines ausländischen Rechtes versagt werden, sofern dies mit der öffentlichen Ordnung („Ordre Public“) des betreffenden anderen Landes nicht vereinbar wäre. Insofern hatte der BGH keine Bedenken. Eine Anknüpfung von Einstandspflichten an die Haltereigenschaft sei dem deutschen Recht nicht grundsätzlich fremd. So ist auch nach inländischem, allerdings öffentlich-rechtlich ausgestaltetem Straßenbenutzungsrecht, Schuldner der Bundesfernstraßenmaut u. a. die Person, die Eigentümer oder Halter des Motorfahrzeugs ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BFStrMG). Eine zivilrechtliche Haftung des Fahrzeughalters ist in § 7 Abs. 1 StVG verankert, wonach er den Schaden zu ersetzen hat, der bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entsteht, wenn ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Außerdem ist nach der Rechtsprechung des BGH der Halter eines unberechtigt auf einem Privatparkplatz abgestellten Fahrzeugs hinsichtlich der dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigung des Besitzes des Parkplatzbetreibers Zustandsstörer und kann als solcher auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er auf die Aufforderung, den für die Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt. Zudem ist der Halter aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683 Satz 1 i.V.m. 670 BGB grundsätzlich zum Ersatz von Abschleppkosten verpflichtet, die für die Beseitigung der ihm als Zustandsstörer zuzurechnenden Besitzstörung anfallen.

Eine „erhöhte Zusatzgebühr“ verstoße ebenfalls nicht gegen die öffentliche Ordnung, da sie als eine Art Vertragsstrafe angesehen werden könne. Dies sei deutschem Recht insofern nicht fremd. Vergleichbare Regelungen seien z. B. das erhöhte Beförderungsentgelt bei Fahrgästen ohne gültigen Fahrausweis.

Weiterhin führte der BGH aus, dass Schulden in einer Fremdwährung grundsätzlich auch nur in fremder Währung eingefordert werden können. In diesem Fall sei eine Klage auf Zahlung in der Währung Euro abzuweisen. Anders sei es nur, wenn die Klägerin durch das ungarische Recht befugt wäre, die Maut auch in Euro anstatt in Forint zu fordern. Hierzu habe sich das LG bislang nicht geäußert, was nachzuholen sei. Maßgeblich sei insofern der Artikel 21 Rom I-VO. Der BGH hat den Rechtsstreit aus dem vorstehenden Grunde an die Vorinstanz zurückverwiesen.