Eine Online-Händlerin hatte auf der (damals noch existierenden) Plattform DaWanda Waren präsentiert, ohne dabei sämtliche Pflichtinformation im Fernabsatz und im elektronischen Geschäftsverkehr zu erteilen. Auf Abmahnung eines Verbandes hin gab sie eine Unterlassungserklärung ab mit der Maßgabe, dass die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe von der „Industrie- und Handelskammer Schwaben, Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten“ zu erfolgen habe. Der Verband lehnte die Annahme dieser Unterlassungserklärung ab und reichte Unterlassungsklage beim LG Augsburg ein. Dieses sah die Unterlassungserklärung als annahmefähig an und wies die Klage ab, weil die Wiederholungsgefahr entfallen sei (Urteil vom 10.04.2018, Az. 2 HK O 2840/17). Dagegen reichte der Verband Berufung beim OLG München ein. Dieses sah die Sache anders. Nach entsprechendem Hinweis des Gerichts kam es zu einem Anerkenntnisurteil (Urteil vom 07.03.2019, Az. 29 U 1413/18), durch das die Entscheidung des LG Augsburg aufgehoben und der Klage entsprechend dem Antrag des Verbandes stattgegeben wurde.
Die maßgeblichen Hinweise des Gerichts in der mündlichen Verhandlung waren Folgende:
Eine Unterlassungserklärung muss uneingeschränkt, bedingungslos, unwiderruflich und ernsthaft sein. Die Ernsthaftigkeit fehlt, da dem Gläubiger unzumutbare Schwierigkeiten bereitet werden.
Der Schutz des Schuldners erfolgt schon durch eine Unterlassungserklärung nach dem sog. Neuen Hamburger Brauch und durch die Begrenzung der Höhe der Vertragsstrafe bzw. deren gerichtliche Überprüfung. Weitere Schutz-Mechanismen sind nicht erforderlich.
Die IHK ist nicht zuständig, auch wenn sie sich faktisch anders verhalten mag. Nach § 15 Abs. 1 UWG werden nur Ansprüche aus dem UWG erfasst. Aber selbst wenn man eine Zuständigkeit der Einigungsstelle für Vertragsstrafenforderungen (vertragliche Ansprüche) annehmen sollte, fällt ein Bestimmungsrecht nicht in die Zuständigkeit der Einigungsstelle, was man dem Urteil des BGH zum Hamburger Brauch entnehmen kann. Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, dass eine staatliche Stelle das Bestimmungsrecht ausübt.
Nur weil der Richter am Landgericht laut Urteilsbegründung weiß, dass die IHK – zumindest derzeit – Vertragsstrafen der Höhe nach bestimmt, heißt das nicht, dass die IHK das (außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs) dauerhaft so praktiziert. Es gibt auch in der Verfahrensordnung der Einigungsstelle keine Zuständigkeitsbestimmung dafür.
Auf eine einseitige Bestimmung durch die IHK muss sich kein Gläubiger einlassen. Das kann allenfalls vertraglich geschehen.
Mit der Entscheidung des OLG München ist nun umfassend geklärt, dass eine einseitige Festlegung des Bestimmungsrecht einer IHK für die Vertragsstrafenhöhe nicht möglich ist. Als staatliche Institutionen haben diese sich an ihre Zuständigkeitsbereiche zu halten. Generell lässt sich für die Übertragung des Bestimmungsrechts für die Vertragsstrafenhöhe auf eine dritte Person die Erkenntnis daraus ziehen, dass ein Unterlassungsschuldner versuchen kann, seinem Gläubiger einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Wird dieser abgelehnt, muss das Bestimmungsrecht dem Gläubiger eingeräumt werden. Fälle, in denen eine Unterlassungserklärung mit einseitig festgelegtem Bestimmungsrecht anderer Dritter (außerhalb staatlicher Institutionen) ausnahmsweise annahmefähig ist, dürften schwer begründbar sein.