News Rechtsprechung

OVG Münster: „Anprangerungsverbot“ für die Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur hatte gegen den Betreiber eines Callcenters wegen unerlaubter Telefonwerbung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG einen Bußgeldbescheid verhängt. Nach Zustellung dieses Bußgeldbescheides hatte sie die Öffentlichkeit, unter namentlicher Nennung des betroffenen Callcenter-Betreibers, hierüber informiert. Die diesbezügliche Pressemitteilung hatte sie über einen E-Mail-Verteiler an im Telekommunikationsbereich tätige Journalisten versandt und zugleich in einer frei zugänglichen Weise auf ihrer Internetseite eingestellt. Ferner hatte sie mittels einer Twitter-Meldung von demselben Tag auf den Erlass des Bußgeldbescheides hingewiesen und der Meldung einen Link zu der auf ihrer Internetseite eingestellten Pressemitteilung beigefügt. Aufgrund dessen konnten Teile der Öffentlichkeit entweder über eine entsprechende Berichterstattung in den Medien oder unmittelbar durch Lektüre der auf der Internetseite der Bundesnetzagentur eingestellten Pressemitteilung von deren Inhalt Kenntnis nehmen. Der betroffene Callcenter-Betreiber hatte sich – im Verwaltungsrechtsweg – im einstweiligen Anordnungsverfahren (einstweiliger Rechtsschutz) gegen diese Veröffentlichung zur Wehr gesetzt und Unterlassung begehrt. Nachdem das Verwaltungsgericht Köln (Az. 1 L 166/21) dem entsprechenden Antrag nicht stattgegeben hatte, legte der Antragsteller Beschwerde zum OVG Nordrhein-Westfalen ein. Dieses erließ in seinem Beschluss vom 17.05.2021, Az. 13 B 331/21 die begehrte einstweilige Anordnung.

Der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Unterlassung einer amtlichen Äußerung leite sich, so das OVG Nordrhein-Westfalen, aus der grundrechtlich geschützten Position des Betroffenen (hier: dessen Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG) ab, sofern es wie hier an einer spezialgesetzlichen Grundlage fehle. Die Grundrechte schützten vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (vorliegend in Form einer Pressemitteilung der Bundesnetzagentur). Der Betroffene könne Unterlassung einer amtlichen Äußerung verlangen, wenn ihm eine Verletzung seiner Grundrechte droht oder eine solche bereits eingetreten ist und noch andauert. Der Antragsteller habe eine andauernde Beeinträchtigung zu besorgen, soweit die Pressemitteilung auf der Internetseite der Bundesnetzagentur in einer für jedermann zugänglichen Weise eingestellt sei und damit auch zukünftig in der Öffentlichkeit verbreitet werde. Durch die weitere Verbreitung der Pressemitteilung werde der Antragsteller in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt.

Das OVG Nordrhein-Westfalen verkannte nicht, dass öffentliche Stellen wie die  Bundesnetzagentur grundsätzlich ohne besondere Ermächtigung dazu berechtigt sind, im Zusammenhang mit der ihnen jeweils zugewiesenen Sachaufgabe Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit zu betreiben. Es sei anerkannt, dass staatliche Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit notwendig sei, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Im Rahmen dieser Arbeit, insbesondere im Rahmen amtlicher Äußerungen, seien jedoch insbesondere das Willkürverbot und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Hieraus leite sich ein Gebot zur Richtigkeit und Sachlichkeit der amtlichen Information sowie zur Wahrung von staatlichen Neutralitätspflichten ab.

Bei namentlicher Benennung des betroffenen Unternehmens fehle es jedoch bereits an einer Wahrung des Neutralitätsgebotes.

Amtliche Äußerungen, die einen unmittelbaren Grundrechtseingriff darstellten oder einem Grundrechtseingriff als funktionales Äquivalent gleichkämen, bedürften jedoch regelmäßig der Rechtfertigung durch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Die weitere Verbreitung der Pressemitteilung über die Internetseite der Bundesnetzagentur stelle einen unmittelbar Eingriff in die Berufsfreiheit dar, „weil sie als administrative Maßnahme direkt auf die Marktbedingungen eines individualisierten Unternehmens zielt, das Verhalten der Geschäftspartner der Antragstellerin und das Verhalten der von ihr adressierten Endnutzer beeinflussen und auf diese Weise mittelbar-faktisch die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der Antragstellerin verändern kann“.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers war nach Ansicht des OVG Nordrhein-Westfalen auch nicht durch eine einfach gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Weder die Regelung des Pressegesetzes NRW noch das TKG (konkret: § 45n Abs. 8 S. 1 TKG) könnten den Eingriff in die Berufsfreiheit rechtfertigen. Die öffentliche Bekanntmachung bußgeldbewehrter Rechtsverstöße sei von der Regelung des § 45n Abs. 8 S. 1 TKG nicht gedeckt. Auch aus anderen Normen des TKG ergebe sich keine entsprechende Eingriffsbefugnis.

Im Ergebnis konnte sich damit der betroffene Callcenter-Betreiber zumindest im einstweiligen Anordnungsverfahren erfolgreich durchsetzen.

Sollten Unternehmen daher von einer namentlichen Berichterstattung von Behörden wie z. B. der Bundesnetzagentur betroffen sein, sollte auf Basis der vorstehend dargestellten Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen geprüft werden, ob gegen eine entsprechende namentliche Berichterstattung vorgegangen werden kann. Vor dem Hintergrund, dass die Landesdatenschutzbehörden, zumindest bei höheren Bußgeldern, gerne namentlich über die betroffenen Unternehmen berichten, könnte diese Entscheidung auch im Datenschutzrecht gegebenenfalls von Interesse sein.