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OLG Frankfurt: Online-Handelsplattform muss bei Verstößen gegen Produktsicherheitsvorschriften eigenständig Rechtsverstöße bereits auffällig gewordener Händler verhindern

Das „Notice-and-Take-Down“-Verfahren war kürzlich auch Gegenstand eines Verfahrens vor dem OLG Frankfurt (Urteil vom 24.06.2021, Az. 6 U 244/19) gewesen, in dem der Betreiber einer Online-Handelsplattform verklagt worden war.

Dem Verfahren hatte folgender Sachverhalt zu Grunde gelegen:

Die Klägerin produzierte und vertrieb Schwimmscheiben u. a. als mehrfarbige Oberarmschwimmhilfen, die aus permanent schwimmfähigem Material gefertigt und so gestaltet sind, dass eine optimale Arm- und Bewegungsfreiheit gewährleistet wird. Die Schwimmhilfen tragen die Marke der Klägerin, eingeprägte Sicherheitshinweise, Name und Anschrift der Klägerin sowie ein CE-Kennzeichen. Die Beklagte betrieb in Deutschland den Internetmarktplatz ebay.de. Dort wurden von gewerblichen Verkäufern Schwimmscheiben chinesischer Herkunft angeboten, die weder über eine Herstellerkennzeichnung noch eine CE-Kennzeichnung, EU-Konformitätserklärung und Baumusterprüfbescheingigung verfügten. Die Klägerin beanstandete dies wegen Verstoßes gegen die Produktsicherheitsvorschriften mehrfach schriftlich gegenüber der Beklagten.

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte hiernach die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 16.10.2019, Az. 2-06 O 77/19).

Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG Frankfurt am Main überwiegend Erfolg. Das Gericht entschied, dass es die Beklagte zu unterlassen habe, auf ihrer Handelsplattform Angebote bereits angezeigter Verkäufer zu schalten, bei denen auf den Lichtbildern das Fehlen der CE-Kennzeichnung und der Hersteller-Angaben zu erkennen sei. Gemäß der EU-Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen dürften diese nur dann auf den Markt bereitgestellt werden, wenn sie der Verordnung entsprechen und nicht die Gesundheit oder Sicherheit von Personen gefährden. Entgegen den Anforderungen der Verordnung verfügten die angebotenen Schwimmhilfen jedoch weder über eine CE-Kennzeichnung noch eine Herstellerkennzeichnung. Die Angebote erfüllten zudem nicht die Anforderungen nach dem Produktsicherheitsgesetz, da sowohl Angaben zum Namen und der Kontaktanschrift des Herstellers als auch die vorgeschriebene CE-Kennzeichnung fehlten.

Die Beklagte als Betreiber der Handelsplattform sei für diese Verstöße verantwortlich. Sie müsse nicht nur konkrete Angebote unverzüglich sperren, wenn sie auf klare Rechtsverletzungen – wie hier – hingewiesen wurde (sog. „notice an take down“-Prinzip). Vielmehr müsse sie auch darüber hinaus Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Verstößen der beanstandeten Händler-Accounts komme. Sie treffe deshalb jedenfalls bei der Verletzung von Produktsicherheitsvorschriften die Verpflichtung, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Durch ihr gefahrerhöhendes Verhalten bestehe eine „Erfolgsabwendungspflicht“. Daraus folgende Prüfungspflichten seien ihr zumutbar, da die Produkte leicht identifizierbar seien. Die Verpflichtung führe auch nicht zu einer Gefährdung oder unverhältnismäßigen Erschwerung des Geschäftsmodells der Beklagten. Sie könne vielmehr eine Filtersoftware einsetzen, mit welcher Schwimmscheiben-Angebote derjenigen Accounts ermittelt werden, bei denen in der Vergangenheit rechtsverletzende Angebote bereits angezeigt wurden.

Nicht zumutbar wäre allerdings die Überprüfung, ob die Kennzeichnung zu Recht angebracht und die Sicherheitsanforderungen tatsächlich erfüllt wurden. Dies sei jedoch auch nicht streitgegenständlich.

Das OLG Frankfurt am Main hat die Revision nicht zugelassen. Die Beklagte kann jedoch eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde bei dem BGH erheben.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 47/2021 des OLG Frankfurt am Main vom 24.06.2021)

Zu der im vorgenannten Verfahren relevanten Regelung des § 6 Abs. 5 ProdSG sowie der Pflicht zur Vorhaltung von Angaben zum Hersteller hatte das OLG Frankfurt zuletzt mit Beschluss vom 21.04.2020, Az. 6 W 41/20, entschieden.