Rechtsprechung

LG Darmstadt: Allgemein aufrufbarer Online-Shop muss PAngV einhalten, auch wenn er nur an Unternehmer veräußern möchte

Die Beklagte bot am 23.3.2023 auf der Internetplattform […] das Produkt „Yogurette Erdbeer 300 g“ an. Bei dem Angebot der Beklagten war ein Volumen von 300 Gramm und der Kaufpreis in Höhe von 5,69 EUR angegeben. Ein Preis je Mengeneinheit, also ein sog. „Grundpreis“ im Sinne von § 4 PAngV bezogen auf das Gewicht, wurde von der Beklagten nicht mitgeteilt. Auswertungsalgorithmen bestimmten für die Beklagte, ob ein Grundpreis ausgewiesen wird oder nicht. Es gab für Marketplace-Verkäufer keinen „Schalter“, mit dem sie festlegen konnten, ob ein Grundpreis anzuzeigen ist oder nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hätte bei dem streitgegenständlichen Angebot den Grundpreis im Sinne von § 4 PAngV angeben müssen. Es sei unerheblich, ob die Beklagte das Produkt tatsächlich nicht an private Letztverbraucher abgebe. Der Kläger mahnte die Beklagte ab und forderte sie auf, sich strafbewehrt zu unterwerfen. Die Beklagte reagierte nicht, so dass der Kläger vor dem LG Darmstadt gegen die Beklagte auf Unterlassung klagte.

Die Beklagte verteidigte sich dort damit, es habe sich bei dem Angebot der Beklagten über das Produkt „Yogurette Erdbeer 300 g“ nicht um ein solches gehandelt, das an Verbraucher gerichtet gewesen sei. Das betreffende Produkt sei seitens der Beklagten ausschließlich für gewerbliche Kunden präsentiert worden und habe auch nur durch gewerbliche Kunden mit einem bei der Beklagten angelegten Business-Account gekauft werden können. Selbst wenn das Produkt für einen Verbraucher aus irgendeinem Grunde sichtbar gewesen wäre, hätten Verbraucher es nicht erwerben können.

Das LG Darmstadt (Urteil vom 19.02.2024, Az. 18 O 18/23) gab der Klage statt. Ein Internetangebot, das von jedermann aufgerufen werden kann, und das keine Beschränkung auf Wiederverkäufer enthält, unterfalle dem Anwendungsbereich der PAngV auch dann, wenn der Werbende mit Verbrauchern keine Verträge schließen würde. Die Argumentation der Beklagten, dass es für den Marketplace-Verkäufer keinen Schalter gebe, mit dem man festlegen könne, ob ein Grundpreis anzuzeigen ist sah das Gericht als unerheblich an. Denn grundsätzlich dürfe eine Plattform, bei der nicht sichergestellt ist, dass ein (auch) Privatkunden ansprechendes Angebot den Grundpreis enthält, in dem Falle eben nicht verwendet werden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 5.5.2023 – 6 W 28/23).

Die Sichtweise des Gerichts betreffend die Festlegung potentieller Kundenkreise steht mit der Rechtsprechung des BGH in Einklang. Danach kommt es nicht darauf an, mit welchen Kunden der Unternehmer tatsächlich Geschäfte tätigt, sondern ob eine Beschränkung hinreichend deutlich kundgetan und praktiziert wird. Nach der Entscheidung des BGH (Urteil vom 11.05.2017, Az, I ZR 60/16 – Testkauf im Internet) ist jedenfalls dann von einem hinreichend deutlichen Ausschluss der Verbraucher im E-Commerce auszugehen bei folgender „Ein- und Ausgangskontrolle“:

  • Hinweis auf jeder Seite des Webauftritts, dass dieser sich nur an Unternehmer richtet, und
  • Bestätigung des Auftraggebers, dass die Beauftragung als Unternehmer getätigt wird.

Selbst der bloße Hinweis, dass keine Geschäfte mit Verbrauchern getätigt werden, ist also alleine noch nicht ausreichend. Selbst bei einer eindeutigen Ausrichtung des Angebots ausschließlich an Unternehmer trifft den Anbietenden die Pflicht, durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherzustellen, dass ausschließlich gewerbliche Abnehmer betrieblich verwendbare Waren erwerben können (BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 99/08 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; OLG Hamm, Urt. v. 20.9.2011 – I-4 U 73/11 –  mit dem Vorschlag, die Umsatzsteueridentifikationsnummer abzufragen). Die Ein- und Ausgangskontrollen im E-Commerce stehen von den Grundansätzen her im Übrigen auch in Einklang mit der Rechtsprechung zum stationären Großhandel („Metro-Rechtsprechung“, z. B. BGH, Urt. v. 14.12.2000 – I ZR 181/99 – Metro III).