News

IDO Verband – LG Darmstadt entscheidet, dass im Abmahnverfahren keine Mitglieder zu benennen sind

Vermeintlich „findige“ Anwälte versuchen derzeit, sich – bei offensichtlich vorhandenen Wettbewerbsverstößen – zusätzlich zu den vorgerichtlichen Gebühren auch noch die gerichtlichen Gebühren zu verdienen, indem die Aktivlegitimation eines nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigten Verbandes mit diversen Argumentationen bestritten wird, z. B. mit den „Einwänden“:

  • Mitgliederbestand nicht “repräsentativ”
  • keine Mitgliederliste vorgelegt
  • keine Namen von Mitglieder benannt

Die Abmahnung wird dann aus formalen Gründen zurückgewiesen, um in ein gerichtliches Verfahren zu gelangen. Ab dann ist nach der Rechtsprechung – bei substantiiertem Bestreiten – die Vorlage einer für das betroffene Marktsegment relevanten Mitgliederliste erforderlich. Wie zu erwarten ist, legt der klagende Verband dann die Mitgliederliste für den relevanten Bereich  vor. Sodann erkennt der Abgemahnte durch seinen Anwalt an und argumentiert, es handele sich um ein von den Kosten befreiendes sofortiges Anerkenntnis (§ 93 ZPO), weil vorgerichtlich die Liste verweigert worden sei und der Abgemahnte nach Vorlage der Liste im gerichtlichen Verfahren sofort reagiert habe. Damit hat der Anwalt des Abgemahnten die Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale aus dem meist hohen wettbewerbsrechtlichen Streitwert verdient.

So geschah es auch im Falle des LG Darmstadt (Urteil vom 31.03.2017, Az. 14 O 13/17). Der Anwalt des Abgemahnten empfahl diesem trotz eindeutiger Wettbewerbsverstöße, sich darauf zu berufen, die Mitgliederliste sei im Abmahnverfahren nicht vorgelegt worden. Nach Erlass einer einstweiligen Verfügung und nach Vorlage der Mitgliederliste erkannte der Anwalt für seinen Mandanten daraufhin die Ansprüche an. Das Gericht legte dessen Mandanten allerdings die Kosten auf. Bei einem vom Gericht festgesetzten Streitwert von 20.000,- EUR bedeutet das für den Abgemahnten eine Kostenbelastung von mehr als  4.000,00 EUR (3.750,00 EUR netto eigener Anwalt + Kostenerstattung an den gegnerischen Anwalt sowie Gerichtskosten von 345,00 EUR).

Die  Argumentation von Anwälten, die einen abgemahnten Unternehmer dazu veranlassen, eine Abmahnung wegen der verweigerten Vorlage einer Mitgliederliste  zurückzuweisen, ist unschlüssig, unseriös und treibt deren Mandanten in die Kostenfalle. Es gibt – soweit bekannt – kein Gericht, das im Abmahnverfahren die Vorlage von Mitgliederlisten oder die Benennung von Mitgliedern verlangt (die gegenteilige „Ausreißer“-Entscheidung des LG Bielefeld, Urteil vom 08.11.2016, Az. 15 O 63/16, wurde vom OLG Hamm in der Rechtsmittelinstanz mit Beschluss vom 23.02.2017, Az. 4 W 102/16, aufgehoben; so auch Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl. 2017, Kap. 2, Rn 23). Es ist schon mit dem Sinn und Zweck einer Abmahnung her und den regelmäßig kurzen Fristen nicht vereinbar, derartige Fragen vorgerichtlich zu klären. Auch bei der Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs (dort Mahnung genannt) wird vom Anspruchssteller nicht verlangt, dass er in seine Mahnschreiben in einer dem gerichtlichen Verfahren entsprechenden Schlüssigkeits-Dichte verfasst.

Das LG Darmstadt hat aktuell nochmals bestätigt, dass in einer Abmahnung keine Angaben zur Anzahl von Mitgliedern oder gar Namen von Mitgliedern aufgeführt werden müssen. Die Auffassung steht in Einklang mit der vg. Entscheidung des OLG Hamm. Das OLG Hamm hatte festgestellt:

„Eine Obliegenheit, die einzelnen Verbandsmitglieder [z.B. in einer Mitgliederliste] namhaft zu machen, trifft einen Verband hingegen im Abmahnverfahren – anders als in einem ggf. nachfolgenden gerichtlichen Verfahren – (noch) nicht.“

Das LG Darmstadt hat insofern stärker auf die Bedeutung des § 93 ZPO abgestellt. Die Argumentation des Anwalts des Antragsgegners wurde sehr deutlich als „rechtsirrig“ bezeichnet. Das LG Darmstadt führt weiter aus, dass die Veranlassung zur Anrufung des Gerichts  bereits dann gegeben  ist, wenn das Verhalten eines Beklagten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage so geartet war, dass der Verfügungskläger annehmen musste, er werde nur durch die Einleitung des streitgegenständlichen Verfahrens zu seinem Recht kommen (Zöller/Freyer, § 93 ZPO, Rdnr. 3 mit weiteren Nachweisen).

Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO hatte der Verfügungsbeklagte im Falle des LG Darmstadt schon deshalb gegeben, weil er das Verlangen des Verfügungsklägers auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vorgerichtlich zurückweisen ließ, womit der Verfügungskläger hinreichend Anlass zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens hatte. Insoweit kommt es nach der zutreffenden Auffassung des LG Darmstadt nicht auf die materielle Rechtslage bzw. die Frage an, ob und ab wann der geltend gemachte Anspruch materiellrechtlich begründet war, weil allein das tatsächliche Verhalten des Verfügungsbeklagten selbst für die Frage, ob § 93 ZPO zu seinen Gunsten angewendet werden kann, entscheidend ist.

Das tatsächliche vorgerichtliche Verhalten des Beklagten hat im vorliegenden Fall eine Anwendung des § 93 ZPO zu seinen Gunsten ausgeschlossen, weshalb dem Beklagten die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 ZPO aufzuerlegen waren.

Wer seinen Mandanten fachgerecht und seriös vertritt, sollte daher die Rechtsprechung kennen, wonach vorgerichtlich überhaupt keine Mitglieder von Verbänden benannt werden müssen, im Rechtsstreits zunächst die anonymisierte Mitgliederliste in Verbindung mit einer eidesstattlichen Versicherung genügt (herrschende Rechtsprechung, siehe auch Beschluss des KG Berlin vom 03.02.2016, Az. 5 W  2/16) und erst bei substantiiertem Bestreiten gemäß der BGH-Rechtsprechung eine nicht anonymisierte Mitgliederliste vorzulegen ist. Das entspricht insbesondere auch dem Grundsatz der Datensparsamkeit  (§ 3a BDSG).