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BGH – Ausschlussgrund „individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher“ (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB) gilt nicht für Werkverträge

Ein Verbraucher hatte mit einem Unternehmer, der Personenlifte liefert und installiert, am Ende eines im Wohnhaus des Verbrauchers geführten Verkaufsgesprächs einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Senkrechtlifts an der Außenfassade des Wohnhauses des Verbrauchers geschlossen. Dazu waren vom Unternehmer Planungsunterlagen nebst Konstruktionszeichnungen zu erstellen, der Verbraucher sollte bauseitige Voraussetzungen schaffen und die Planungsunterlagen freigeben. Es kam zu Meinungsverschiedenheiten und schließlich erklärte der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer telefonisch, dass er von dem Vertrag „Abstand nehme“. Sodann wies der Verbraucher unter Hinweis auf das Telefonat auf einen erfolgten „Rücktritt“ hin. Später erklärte er in einem Schreiben noch den „Widerruf“ seiner Vertragserklärung. Da keine Einigung möglich war, klagte der Verbraucher auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung. Das LG Ellwangen verurteilte den Unternehmer antragsgemäß. Die Berufung des Unternehmers beim OLG Stuttgart blieb erfolglos. Da das Berufungsgericht die Revision zugelassen hatte, musste sich der BGH (Urteil vom 30.08.2018, VII ZR 243/17 – Senkrechtlift) mit einigen interessanten Rechtsfragen befassen.

Zunächst bestätigte der BGH überzeugend, dass es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Werkvertrag handelt (nicht etwa um einen Kaufvertrag oder Werklieferungsvertrag, auf den nach § 650 BGB – im Urteil ist insofern die frühere Paragrafen-Nr. § 651 BGB erwähnt – Kaufrecht anzuwenden wäre). Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, so liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2018 – VII ZR 19/18; BGH, Urteil vom 02.07.2016 – VII ZR 348/13; BGH, Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 162/12).

Auch die Sichtweise der Vorinstanzen, dass es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag handelt, für den grundsätzlich ein Widerrufsrecht besteht, hat der BGH bestätigt. Sodann befasste er sich mit der Frage, ob gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Ausnahme in Frage kommt. Vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen besteht nach dieser Norm kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Zutreffend hat der BGH die Anwendbarkeit dieses Ausnahmetatbestandes verneint. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB umfasst Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch werden damit Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklieferungsverträge (§ 650 BGB) erfasst. Demgegenüber sind Werkverträge (§ 631 BGB) regelmäßig nicht als auf die Lieferung von Waren gerichtete Verträge einzustufen.

Dazu, dass Werkunternehmer die im Sinne der Verbraucherrechterichtlinie – in Abgrenzung zum Kaufvertrag –  „Dienstleistung“ erbringen, nicht schutzlos sind, führte der BGH aus:

 „Den Schutz der Unternehmer, die Werkleistungen erbringen (vgl. Art. 16 a) Verbraucherrechterichtlinie), hat der Gesetzgeber nicht durch einen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB verwirklicht, sondern durch die Regelung in § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift schuldet der Verbraucher dem Unternehmer unter den weiteren Voraussetzungen von § 357 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Dienstleistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Der in § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB benutzte Begriff der „Dienstleistung“ entspricht der Definition in Art. 2 Nr. 6 Verbraucherrechterichtlinie und erfasst damit jedenfalls regelmäßig auch Werkverträge.“