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BGH: Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis

Nach § 2 Abs.1 S.1, 2 PAngV a.F. (in Kraft gewesen bis 27.05.2022) musste der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angezeigt werden. Grundpreis und Gesamtpreis müssen nach der Rechtsprechung „auf einen Blick“ sichtbar sein (BGH, Urteil vom 26.02.2009, Az. I ZR 163/06 – Dr. Clauder’s Hufpflege). Teilweise wird seit einigen Jahren die Auffassung vertreten, dass § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV mit dem darin enthaltenen Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ seit dem 13.06.2013 keine Anwendung mehr finden könne. Als Hintergrund werden europarechtliche Vorgaben in Art. 3 Abs. 5 S. 1 der UGP-Richtlinie (Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken) angeführt. Zahlreiche Gerichte vertreten aber die Gegenansicht. Hiernach ist § 2 Abs. 1 PAngV auch nach dem 13.06.2013 weiterhin anwendbar (BGH, Urteil vom 31.10.2013, Az. I ZR 139/12, Rn. 17 f.; LG Köln, Urteil vom 06.11.2014, Az. 31 O 512/13) und ggf. lediglich europarechtskonform auszulegen (u. a. OLG Naumburg, Urteil vom 09.04.2015, Az. 9 U 98/14; OLG Rostock, Beschluss vom 24.03.2014, Az. 2 U 20/13; AG Landshut, Urteil vom 21.08.2015, Az. 4 C 304/15). Eine europarechtskonforme Auslegung bedeutet hierbei, dass die sich aus Art. 4 Abs. 1 Preisangabenrichtlinie (Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse) ergebenden Kriterien „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ bei der Angabe des Gesamt- und des Grundpreises erfüllt sein müssen. Dementsprechend wurde von zahlreichen Gerichten seit dem 13.06.2013 tenoriert, dass der Gesamtpreis und der Grundpreis jeweils „unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar“ angeordnet sein müssen (u. a. LG Bonn, Urteil vom 17.02.2015, Az. 30 O 2/15; LG Köln, Beschluss vom 26.01.2015, Az. 81 O 5/15; LG Essen, Beschluss vom 11.03.2014, Az. 44 O 28/14; LG Köln, Beschluss vom 07.03.2014, Az. 84 O 41/14). Einige Gerichte tenorierten hingegen weiterhin, dass neben dem Gesamtpreis und der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben sei (u. a. LG Berlin, Beschluss vom 27.08.2015, Az. 101 O 86/15; LG Kassel, Beschluss vom 27.08.2015, Az. 11 O 4190/15). Diejenigen Gerichte, die eine Vorgabe „in unmittelbarer Nähe“ europarechtlich als unwirksam ansahen, kamen zum Teil zu einer teilweisen Klageabweisung (wegen zu weit gestellten Unterlassungsantrags). In wenigen Fällen wurden Klagen sogar ganz abgewiesen. Andere Gerichte sahen die Formulierung als inhaltsgleich mit der Vorgabe der Preisangabenrichtlinie an. Denn nur dann, wenn der Gesamt- und der Grundpreis auf einen Blick wahrgenommen werden können, sind die Preisangaben unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar (vgl. auch Willems, GRUR 2014, 737 (740)).

Zu einer vollständigen Klageabweisung kam es z. B. in einem Verfahren vor dem LG Halle (Urteil vom 06.08.2020, Az. 8 O 26/20), in dem der IDO Verband e.V. als Kläger den Antrag mit der Formulierung „in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis“ gestellt hatte. Die Berufung beim OLG Naumburg blieb erfolglos. Im Urteil vom 29.04.2021, Az. 9 U 114/20, ließ das Berufungsgericht wegen divergierender Rechtsprechung die Revision zu. Der IDO Verband e.V. hatte sodann Revision eingelegt, die nun erfolgreich war. Mit Urteil vom 19.05.2022, Az. I ZR 69/21, hat der BGH das Urteil des OLG Naumburg aufgehoben und ein Versäumnisurteil gegen die Beklagtenseite mit dem vom IDO Verband e.V. vor dem LG Halle gestellten Antrag erlassen.

Damit steht fest, dass der Antrag betreffend die Formulierung „in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis“ berechtigt war. Der BGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. mit seiner Forderung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, nicht über die Mindestharmonisierung der EU-Preisangabenrichtlinie (98/6/EG) hinausgeht. Insofern werde lediglich das Erfordernis der klaren Erkennbarkeit des Grundpreises aus Art. 4 Abs. 1 S. 1 der EU-Preisangabenrichtlinie konkretisiert. Unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung führt der BGH aus, dass Verbraucher Preise von Erzeugnissen nur dann ausreichend beurteilen und vergleichen können, wenn Grundpreis und Gesamtpreis auf einen Blick wahrnehmbar sind; und dazu sei die unmittelbare Nähe beider Preisinformationen unverzichtbar. Insofern handele es sich um eine wesentliche Information, die auf diese Weise zu erteilen ist. Wer hiergegen verstößt, enthält dem Verbraucher wesentliche Informationen vor und handele wettbewerbswidrig (§ 5a Abs. 2 S. 1 UWG; Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2005/29/EG – UGP-Richtlinie).

In der seit dem 28.05.2022 geltenden Neufassung der PAngV hat der Gesetzgeber die Formulierung „in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises“ ersetzt durch die europarechtliche Vorgabe (Preisangabenrichtlinie). In § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV n. F. heißt es nun, dass der „Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben“ ist. Insofern hat der BGH in seinem Urteil vom 19.05.2022 (Rn. 48) sogleich für § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV n. F. klargestellt, dass die an der EU-Preisangabenrichtlinie orientierte Formulierung so zu interpretieren ist, dass Grundpreis und Gesamtpreis „nebeneinander“ sowie „in unmittelbarer Nähe“ auf einen Blick erkennbar sein müssen. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Formulierung „klar erkennbar“ aus § 1 Abs. 7 S. 2 PAngV a. F. in die PAngV 2022 übernommen wurde (§ 4 Abs. 1 S. 1 PAngV n.F.).

Dr. Harald Schneider

Rechtsanwalt + Fachanwalt für IT-Recht