Rechtsprechung

OLG Düsseldorf: Geltendmachung von Rücklastschriftkosten in Höhe von 4,50 EUR und Mahnkosten von 2,80 EUR zu hoch

Ein in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein und ein Telekommunikationsunternehmen streiten seit dem Jahre 2012 über die Praxis des TK-Unternehmens, dessen Kunden Rücklastschrift- und Mahnpauschalen in bestimmter Höhe zu berechnen. Das TK-Unternehmen berechnete seinen Kunden im Jahre 2012 bei der Abwicklung von Telefon- und DSL-Verträgen Rücklastschriftkosten von 13,00 EUR und für Mahnungen 9,00 EUR. Auf Antrag des Verbraucherschutzvereins untersagte das LG Düsseldorf per einstweiliger Verfügung dem TK-Unternehmen die Erhebung der Pauschalbeträge in der vorgenannten Höhe (im Widerspruchsverfahren bestätigtes Urteil vom 05.06.2013, Az. 12 O 649/12 U.). Das TK-Unternehmen erkannte das diesbezügliche Verfügungsverbot letztendlich nach erfolglosem Berufungsverfahren vor dem OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.02.2014, Az. I-6 U 84/13) als endgültige Regelung an. Von Mitte August 2013 bis April 2015 stellte das TK-Unternehmen sodann seinen Kunden über sein automatisiertes Rechnungswesen für Rücklastschriften einen Pauschalbetrag in Höhe von 9,50 EUR und für Mahnungen einen solchen in Höhe von 6,50 EUR in Rechnung. Mit Schreiben vom 02.10.2013 mahnte der Verbraucherschutzverein (Kläger) das TK-Unternehmen (Beklagte) ohne Erfolg ab. Auf eine vom Kläger sodann erhobene Unterlassungsklage hin untersagte das LG Düsseldorf der Beklagten durch Urteil vom 25.02.2015, Az. 12 O 64/14, die Erhebung der Pauschalen in der vorgenannten Höhe. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung beim OLG Düsseldorf (Az. I-6 U 52/15) nahm die Beklagte zurück.

Im Jahr 2015 reduzierte die Beklagte – über ihr automatisiertes Rechnungswesen – ihre Rücklastschrift- und Mahnpauschalen weiter auf 4,50 EUR bzw. 2,80 EUR. Mit Schreiben vom 06.08.2018 sprach der Kläger deshalb gegenüber der Beklagten eine weitere Abmahnung aus. Die Beklagte lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab. Auf Klage des Verbraucherschutzvereins verurteilte das LG Düsseldorf das TK-Unternehmen durch Teilurteil zu Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung zwecks Vorbereitung eines Gewinnabschöpfungsanspruchs. Soweit der Kläger Auskunft darüber verlangt, welche Nutzungen die Beklagte aus den erzielten Gewinnen im Auskunftszeitraum gezogen hat, wies das LG die Klage ab. Gegen das Teilurteil (vom 23.06.2021, Az. 12 O 188/18) legten beide Parteien Berufung beim OLG Düsseldorf ein. Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg, diejenige der Beklagten ganz überwiegend nicht (Urteil vom 09.06.2022, Az. 20 U 91/21).

Das OLG Düsseldorf bestätigte, dem Kläger stehe gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG iVm §§ 306a, 309 Nr. 5 lit. a) BGB ein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte es unterlässt, Verbrauchern ohne vorherige Individualvereinbarung systematisch durch ihr entsprechend programmiertes Abrechnungssystem einen Pauschalbetrag in Höhe von mindestens 4,50 EUR für jede Rücklastschrift bzw. 2,80 EUR für jede Mahnung in Rechnung zu stellen. Die Beklagte umgehe das Klauselverbot in § 309 Nr. 5 BGB durch eine „anderweitige Gestaltung“ im Sinne des § 306a BGB, indem sie ihr Abrechnungssystem („an AGB vorbei“) so gestaltet habe, dass sie betroffenen Kunden zu hohe Pauschalbeträge in Rechnung stellt.

Nach § 309 Nr. 5 lit. a) BGB ist die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzanspruchs für den Verwender dann unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt (BGH, Urteil vom 18.02.2015, Az. XII ZR 199/13). Dies ist nach den Ausführungen des OLG Düsseldorf bei Gebühren von mindestens 4,50 EUR pro Rücklastschrift der Fall. Für die Rechtmäßigkeit des hier in Rede stehenden Betrags komme es im Grundsatz auf den Durchschnittsschaden in der Branche der Beklagten an. Es sei mithin eine objektive Prüfung im Sinne einer typisierenden Betrachtung anzustellen, bei der die Umstände des konkreten Falles – mögen sie für den Eintritt eines besonders hohen oder auch eines besonders niedrigen Schadens sprechen – außer Betracht bleiben müssen. Gleichwohl sei zu würdigen, dass die Beklagte mit 4,50 EUR von ihren Kunden einen Pauschalbetrag verlangt, der unstreitig deutlich über den Kosten liegt, die ihr tatsächlich entstanden sind. Denn umso fernliegender die behauptete Höhe des branchentypischen Rücklastschriftschadens ist, umso höher sind die Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag des Klauselverwenders. Aber selbst wenn zu Gunsten der Beklagten anzunehmen wäre, dass die eigenen Kosten der Banken für Rücklastschriften durchschnittlich – wie von ihr vorgetragen – mindestens 2,71 EUR betragen, mache allein dies ihre Behauptung, der durchschnittliche Rücklastschriftschaden der marktbeherrschenden anderen Telekommunikationsunternehmen liege bei mindestens 4,50 EUR, nicht plausibel.

Als nicht nachvollziehbar sah das Gericht auch den Vortrag der Beklagten zur Höhe der branchentypischen Porto- und Materialkosten für die Benachrichtigung des Kunden über das Fehlschlagen der Lastschrift an. Es reiche nicht aus, wenn sie darlegt, die Kosten einer postalischen Kundenbenachrichtigung würden 1,08 EUR betragen. Diese Kosten wären nur dann maßgeblich, wenn jedes Branchenunternehmen in jedem Rücklastschriftfall tatsächlich eine postalische Kundenbenachrichtigung versenden würde. Dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall: Schon die Beklagte selbst versendet – unstreitig – keine postalischen Kundenbenachrichtigungsschreiben, sondern informiert ihre Kunden per SMS und/oder E-Mail. So dürften die Dinge auch bei den anderen Branchenunternehmen liegen. Die Beklagte habe mithin schon nicht dargetan, dass die Benachrichtigung durch ein postalisches Schreiben (noch) dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht.

Wird ein nicht ersatzfähiger Schaden in die Pauschale einbezogen, ist die Klausel nach § 309 Nr. 5 lit. a) BGB unwirksam, weil die Schadenspauschale in einem solchen Fall generell überhöht ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2019, Az. VIII ZR 95/18; Urteil vom 17.09.2009, Az. Xa ZR 40/08).

Das Auskunftsbegehren des Klägers, gestützt auf § 242 BGB, sah das OLG Düsseldorf als weitgehend begründet an (abgesehen von den Nutzungen aus Gewinnen, die durch die früher höheren Pauschalbeträge für Rücklasten bzw. Mahnungen von 13,00 EUR  bzw. 9,00 EUR erwirtschaftet wurden). Im Grundsatz stehe dem Kläger ein Anspruch aus § 10 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte zu, zu dessen Bezifferung er auf die begehrten Auskünfte angewiesen ist. Nach § 10 Abs. 1 UWG kann derjenige, der vorsätzlich eine nach § 3 UWG oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, von den gemäß § 8 Absatz 3 Nr. 2 bis 4 UWG zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden. Die Voraussetzungen für eine Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG sah das Gericht als erfüllt an.

Die Berufung der Beklagten hatte insofern Erfolg, soweit sie die Formulierung des vom LG ausgeurteilten Wirtschaftsprüfervorbehalt beanstandete (in Bezug auf „Konfliktregelung“ bzw. Neutralität des Prüfers). Dies führte zu entsprechender Neufassung des Tenors. Die Berufung des Klägers war insofern erfolgreich, als dass sich entgegen der Vorinstanz die Auskunftspflicht der Beklagten im Wesentlichen auch auf die Nutzungen aus den von ihr erzielten Gewinnen erstreckt.

Bereits früher hatte das OLG Schleswig, Urteil vom 26.03.2013, Az. 2 U 7/12, in AGB vorgesehene Rücklastschriften in Höhe von pauschal 10,00 EUR als zu hoch angesehen.

Die ohne vertragliche Vereinbarung erfolgte Praxis eines Versandhandelsunternehmens, bei Zahlungsverzug monatlich 10,00 EUR zu lasten des säumigen Käufers in dessen Kundenkonto zu buchen, bewertete das LG Hamburg (Urteil vom 26.01.2021, Az. 406 HKO 118/20, als Wettbewerbsverstoß und führte zusätzlich aus, dass auch eine Regelung, wäre sie erfolgt, unwirksam gewesen wäre:

„Gegenstand der Pauschale sind im übrigen im wesentlichen Personalkosten der Beklagten im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Mahnungen, die als solche nicht erstattungsfähig sind und daher auch nicht Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung in AGB sein können (…). Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht darauf an, wie kostenträchtig das Mahnverfahren in der jeweiligen Branche ist. Ersatzfähig sind derartige Schäden nur dann, wenn der im Einzelfall erforderliche Aufwand die im Rahmen des üblichen typischerweise zu erbringende Mühewaltung überschreitet (…).“

Das OLG Hamburg schloss sich in der Berufungsinstanz der Rechtsauffassung des LG Hamburg an und wies die Berufung mangels Erfolgsaussichten durch Beschluss (vom 22.12.2021, Az. 15 U 14/21) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück.

Nach wie vor wird die Höhe der vorgerichtlichen Mahnkosten in der Rechtsprechung unterschiedlich geschätzt, nicht selten auch innerhalb eines Gerichts. Zum Teil wird nur das Briefporto zugrunde gelegt. Soweit per Email, Telefax oder Telefon gemahnt wurde, muss, wie die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, ein noch geringerer Betrag zugrunde gelegt werden. Denn grundsätzlich dürfen die Mahngebühren nicht höher sein als die branchentypischen bzw. tatsächlichen Kosten, da nur diese als Mahnkosten in Rechnung gestellt werden dürfen.

Bei Schuldnern, die keine Verbraucher sind (z. B. Geschäftskunden oder öffentlichen Einrichtungen), gilt nach § 288 Absatz 5 S. 1 BGB, dass der Gläubiger eine Mahnpauschale von 40 EUR berechnen darf, wenn sich sein Kunde im Zahlungsverzug befindet. Nach § 288 Abs. 5 S. 3 BGB ist die Pauschale auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

Dr. Harald Schneider
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht