Mit einer außergewöhnlichen Werbemaßnahme hatte sich das LG Wiesbaden (Urteil vom 01.06.2021, Az. 11 O 47/21) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu befassen. Die Parteien sind Mitbewerber im Bereich des Vertriebs von Vermögensanlagen. Die Antragstellerin erhielt Kenntnis davon, dass die Antragsgegnerin am 01.04.2021 Überweisungen über jeweils 0,01 EUR an verschiedene Verbraucher in ganz Deutschland getätigt hatte, wobei als Verwendungszweck folgender Text verwendet wurde, der auch in der Umsatzanzeige für die Konten der Empfänger erschien:
„www.(…)crowd.com – (…) Group + (…) AG sagen DANKESCHOEN fuer ihr Vertrauen. Neue Crowd Founding-Emission“.“
Die Antragsgegnerin stand mit keinem der Verbraucher zuvor im geschäftlichen Kontakt. Die Verbraucher erteilten der Antragstellerin keine Einwilligung für den Erhalt von Werbung. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin wegen der behaupteten Wettbewerbsverstöße ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Die Antragsgegnerin lehnte dies ab, woraufhin die Antragstellerin beim LG Wiesbaden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellte und beantragte, dass die Antragsgegnerin es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen hat, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs:
- den kommerziellen Zweck von Überweisungen an Verbraucher nicht kenntlich zu machen
und / oder - Überweisungen an Verbraucher zu tätigen und den Verwendungszweck Werbung für Vermögensanlagen bzw. Finanzanlagenvermittler zu machen.
Das LG Wiesbaden erließ die einstweilige Verfügung und stützte den sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG ergebenden Unterlassungsanspruch auf Verstöße gegen § 5a Abs. 6 UWG sowie gegen § 7 Abs. 1 S. 1 UWG. Nach § 5a Abs. 5 UWG handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die 1-Cent-Überweisungen stellten geschäftliche Handlungen im Sinne des UWG dar. Mit den 1-Cent-Überweisungen fördere die Antragsgegnerin sowohl die Crowd Investing-Plattform „(…)-Crowd“, indem sie auf deren Domain ((…)Crowd.com) und die dort angebotenen Emissionen verweist. Darüber hinaus fördere sie damit aber auch ihren eigenen Wettbewerb, weil sie selbst auf der Plattform Vermögensanlagen anbietet. Der werbliche Zweck der Überweisung werde verschleiert. Tatsächlich bestanden kein Anspruch auf den überwiesenen Geldbetrag und kein geschäftlicher Kontakt zwischen der Antragsgegnerin und den Überweisungsempfängern. Der kommerzielle Zweck folge auch nicht aus den Umständen, denn für den unbefangenen Verbraucher ist es auf den ersten Blick nicht möglich zu erkennen, dass der Handlung ein kommerzieller Zweck, nämlich ein Werbezweck, zugrunde liegt. Es könne insoweit dahinstehen, ob der durchschnittliche Verbraucher nach einer analysierenden Betrachtung der Überweisung die werbliche Wirkung des Beitrags erkennt, weil dies nicht ausreichend ist. Mit dem bezweckten Besuch der Website, die der Verbraucher zwecks weiterer Aufklärung des Vorgangs naheliegend aufsuchen wird, habe der Überweisungsempfänger eine geschäftliche Entscheidung getroffen, die er nicht getroffen hätte, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass es sich bei der Überweisung um Werbung handelt. Der Besuch der Webseite werde ihm zu Recherchezwecken aufgedrängt.
Dadurch entstehe nach Auffassung des LG Wiesbaden auch eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG. Eine solche ist stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Auch wenn es sich hier um eine Überweisung handelt, so sei doch der Gedanke des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, was das Störungspotential anbelangt, anzuwenden. Die Antragsgegnerin habe durch die Überweisung und den Text die Aufmerksamkeit des Überweisungsempfängers erregt und den Verbraucher gezwungen, sich mit dem Anliegen der Antragsgegnerin durch Recherche ihrer Internetseite auseinanderzusetzen. Auch sei weiterhin zu berücksichtigen, dass eine solche Verwendung kostengünstiger Werbemethoden, soweit diese als rechtmäßig angesehen werden, dazu führen wird, dass sich andere Mitwerber zur Nachahmung veranlasst sehen. Daraus würde in Zukunft eine erhebliche Zahl gleichartiger Handlungen entstehen, die auch in ihrer Summe eine wesentliche Belästigung der Verbraucher darstellen würden. Bei der Frage der Unzumutbarkeit der Belästigung sei weiterhin zu berücksichtigen, dass die Werbung in einem besonders sensiblen Bereich des Zahlungsverkehrs stattgefunden hat.