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LG Essen: Ordnungsgelder sind nicht analog § 13a Abs. 3 UWG zu deckeln

I. Sachverhalt

Einer Online-Händlerin war im Jahre 2016 im Wege einer einstweiligen Verfügung (rechtskräftig) verboten worden, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher im Fernabsatz Haushaltswaren anzubieten oder Angebote zu unterhalten, ohne gleichzeitig über den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für deren Geltendmachung erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers, und ohne gleichzeitig auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinzuweisen sowie darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, (Beschluss vom 20.07.2016, Az. 45 O 44/16). Wegen eines ersten Verstoßes, auf den der Gläubiger im Januar 2018 aufmerksam wurde, verhängte das LG Essen mit Beschluss vom 11.07.2018 ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR. Die Beschwerde der Schuldnerin (Händlerin) blieb damals erfolglos.

Am 12.02.2021 stellte der Gläubiger fest, dass die Händlerin (Schuldnerin) auf der Handelsplattform Amazon drei Warenpräsentationen von Haushaltsgeräten veröffentlicht hatte mit dem Hinweis auf eine Garantie, allerdings ohne die weitergehenden Pflichtinformationen vorzuhalten. Der Gläubiger leitete daraufhin ein weiteres Ordnungsmittelverfahren ein. Das LG Essen (Beschluss vom 23.05.2021, Az. 45 O 44/16) setzte ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je 1.000 EUR ein Tag Ordnungshaft, fest.

 

II. Argumentation der Schuldnerin

Die Schuldnerin verteidigte sich u. a. damit, sie hänge sich mit ihren Warenpräsentationen stets nur an EAN Codes (European Article Number) Dritter an. Eigene Schreibrechte dahingehend, die darin gespeicherten Artikelbeschreibungen abzuändern, stünden ihr nicht zu. Über etwaige Änderungen an ihren bestehenden Präsentationen werde sie nicht informiert. Sie kontrolliere zwar regelmäßig, aber es handele sich um ein plattformspezifisches Problem. Trotz der Kontrollen könnten ihr einige fehlerhafte Artikel „durchrutschen“. Der Gläubiger solle gegen die Plattformbetreiberin vorgehen. Hohe Ordnungsgelder zwängen Händler faktisch zur Aufgabe ihres Betriebes. Im Übrigen sei bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes § 13a Abs. 3 UWG heranzuziehen (Deckelung einer Vertragsstrafe in den dort definierten Fällen von „Geringfügigkeit“).

 

III. Beschlussbegründung

Auf den Wettbewerbsverstoß (fehlende Garantie-Informationen im Fernabsatz, Art. 246a Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB, § 479 BGB) ging das LG Essen nicht weiter ein, da der Verstoß dem Grunde nach unstreitig war.

Das Verschulden ist grundsätzlich vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen. Die Schuldnerin traf hier aber eine sekundäre Darlegungslast dazu, welche Maßnahmen sie konkret ergriffen hatte, um Verstöße zu verhindern. Denn das Verhalten der Schuldnerin bzw. ihres Personals spielte sich in ihrer Sphäre ab. Maßstab ist das eigene Verschulden der Schuldnerin. Die §§ 278, 831 BGB und 8 Abs. 2 UWG sind im Ordnungsmittelverfahren nicht heranzuziehen. Als eigenes Verschulden kam hier aber ein Organisationsverschulden der Schuldnerin in Frage. Ihr war bereits aus dem vorangegangenen und zu ihren Lasten entschiedenen Ordnungsmittelverfahren bekannt, dass „schreibbefugte“ Händler (die also die unter der EAN vorhandenen Artikelbeschreibungen verändern können) jederzeit solche Änderungen vornehmen können. Auch die von der Schuldnerin beschriebenen Defizite der Plattform Amazon waren ihr bekannt. Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Händler durch effektive Kontrollen dafür sorgen, dass es nicht zu Rechtsverletzungen kommt, in letzter Konsequenz müsste er ansonsten die Plattform wechseln bzw. seine Warenpräsentationen dort löschen (so auch OLG Hamm, Beschlüsse vom 06.02.2018, Az. 4 W 52/14, sowie vom 14.08.2017, Az. 4 W 58/17).

Bei der Festsetzung des Ordnungsmittels hat das LG Essen berücksichtigt, dass es sich bereits um das zweite Ordnungsmittelverfahren gegen die Schuldnerin handelt, dass andererseits aber ca. 3 ½ Jahr zwischen dem ersten und dem zweiten Verstoß liegen und nur ein fahrlässiges Organisationsverschulden vorgelegen hat. Der Umstand, dass die Garantiewerbung wesentliche Verbraucherrechte betrifft und dass der Verstoß über die Handelsplattform Amazon potentiell an eine große Anzahl von Verbrauchern gerichtet ist, wurde wiederum zu Lasten der Schuldnerin gewürdigt.

Eine entsprechende Anwendung des § 13a Abs. 3 UWG lehnte das Gericht ab. Zum einen gibt die Vorschrift, die für Vertragstrafen gilt, überhaupt keinen Ansatzpunkt für eine Analogie und zum anderen lägen nach der Auffassung des LG Essen auch die Voraussetzungen einer „Deckelung“ nicht vor, da wegen der vorgenannten Umstände keine unerhebliche Beeinträchtigung von Verbrauchern vorliegt.

Auf Grund des räumlich-zeitlichen Zusammenhangs der Online-Stellung der drei fehlerhaften Warenpräsentationen ging das LG Essen von einer natürlichen Handlungseinheit aus.

 

IV. Ergänzende Anmerkungen

Die Haftung der Amazon-Händler für Veränderungen, die später von Amazon selbst oder von „schreibbefugten“ Händlern vorgenommen werden, ist in der Rechtsprechung grundsätzlich geklärt. Das gilt auch für das Organisationsverschulden (die Verletzung von Kontrollpflichten). Unterschiedliche Entscheidungen gibt es – je nach Sachverhalt und Gerichtsort – zu den Prüfungsintervallen (Kontrolldichte). Insofern verweisen wir auf den Beitrag „Haftung der Amazon-Händler auch dann, wenn die Gestaltung der Anzeigen von Amazon beeinflusst wird“.

Auf das häufig vorgebrachte Argument von betroffenen Händlern, dass sie, wenn man ihnen keine Fehler durchgehen ließe, wegen der Besonderheiten auf der Plattform Amazon faktisch ihr Geschäft schließen könnten, gehen die Gerichte entweder gar nicht ein oder verweisen darauf, dass ein Händler die Plattform Amazon auf Unterlassung in Anspruch nehmen oder vom Handel auf Amazon absehen kann. Nach unserer geltenden Rechtsordnung und dem im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzip ist es nicht möglich, ein Sonderrecht für Amazon zu schaffen, nur weil das Unternehmen sich nicht so organisiert, dass es rechtlich einwandfrei Rahmenbedingungen für das Handeln auf dieser Plattform einrichtet.

Im Übrigen kann jeder Händler, der bei Amazon Handel betreiben möchte, seine Risiken vermindern, indem er regelmäßig die Warenpräsentationen kontrolliert und / oder eine (nicht einmal teure) Software einsetzt, die ihm Veränderungen an seinen Präsentationen umgehend meldet (siehe dazu ebenfalls unseren o. g. Beitrag).

Die entsprechende Anwendung der Deckelungsvorschrift des § 13a Abs. 3 UWG hat das LG Essen zutreffend abgelehnt. Die Regelung betrifft nur Vertragsstrafen. Die dort geregelte Vergünstigung erhält ferner nur ein „Abgemahnter“, der in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Es wäre mit dem Wesen des Ordnungsmittelverfahrens nicht in Einklang zu bringen, zunächst zu prüfen, wie viele Mitarbeiter ein Schuldner beschäftigt, obwohl sich im Titel für eine solche Differenzierung kein Ansatz findet. Die Erwägungen, die der Gesetzgeber bei der Einführung des § 13a Abs. 3 UWG (durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, das zum 02.12.2020 in Kraft getreten ist) gehabt hat, nämlich gegen Abmahnmissbrauch vorzugehen, können nicht auf den Justizbetrieb übertragen werden. Wer gegen eine gerichtliche Anordnung verstößt, hat die Folgen zu tragen und diese ergeben sich aus der ZPO. Hilfsweise hat das LG Essen darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall auch kein Schutzbedürfnis bei der Schuldnerin bestanden hat, weil die Voraussetzungen des § 13a Abs. 3 UWG (unterstellt, es wäre ein Vertragstrafenfall gewesen) nicht vorgelegen haben. Insofern kann auf die Begründung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs zurückgegriffen werden: „Keine unerhebliche Beeinträchtigung liegt vor, wenn angesichts des Umfangs der Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden eine größere Anzahl von Verbrauchern betroffen ist.“ Die große Auswirkung eines Verstoßes ist bei einem Handel auf marktführenden Handelsplattformen wie Amazon oder eBay regelmäßig anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 11.09.2017, Az. 15 U 63/17; OLG Hamburg, Beschluss vom 27.10.2016, Az. 5 W 67/16; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2016, Az. 4 W 102/15; LG Duisburg, Urteil vom 09.07.2020, Az. 21 O 10/20; LG Leipzig, Urteil vom 25.06.2020, Az. 2 HK O 217/20; LG Koblenz, Urteil vom 15.08.2017, Az. 3 HK O 24/17; LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 30.06.2017, Az. 3 O 10/17).

 

Dr. Harald Schneider
RA, FA für IT-Recht