Für außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verbraucherverträge besteht grundsätzlich ein gesetzliches Widerrufsrecht. In einem bis zum BGH geführten Rechtsstreit ging es um die Abgrenzungsfrage, wann von einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag noch auszugehen ist und wann nicht mehr. Die Kläger sind Eigentümer eines Reihenhauses, der Beklagte führt einen Dachdeckerbetrieb. Mit einem ersten Auftrag beauftragten die Kläger den Beklagten im Sommer 2018 mit der Erneuerung von Dachrinnen und mit Abdichtungsarbeiten im Eingangsbereich ihres Reihenhauses. Während der Ausführung der Arbeiten am 22. und 23.08.2018 bemerkte ein Mitarbeiter des Beklagten, dass der Wandanschluss des Daches defekt war und teilte dies dem Kläger mit. Nachdem der Beklagte dem Kläger die ungefähre Größenordnung der für diese Arbeiten anfallenden Vergütung sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeiten mitgeteilt hatte, beauftragte der Kläger den Beklagten auch mit diesen Arbeiten („Wakaflex“), die anschließend ausgeführt wurden. Die Ausführung der Arbeiten zu einem späteren Zeitpunkt wäre mit Mehrkosten für die Kläger verbunden gewesen, weil dies die erneute Aufstellung eines Gerüsts erfordert hätte. Haupt- und Zusatzauftrag kamen so zustande, dass zunächst ein Ortstermin mit Aufmaßnahme stattfand, dann ein schriftliches Angebot erfolgte, das die Kläger dann angenommen hatten. Für „Wakaflex“ erfolgte die Annahmeerklärung vor Ort. Bezüglich des ersten Auftrags blieb ungeklärt, wie insofern der Vertrag zustande gekommen war. Die Arbeiten wurden vom Beklagten mangelfrei erbracht. Der für beide Aufträge vom Beklagten in Rechnung gestellte Betrag, davon 1.164,38 EUR brutto für den Auftrag „Wakaflex“, wurde von den Klägern vollständig bezahlt. Mit Schreiben vom 05.09.2019, das an diesem Tag um 19:35 Uhr in den Briefkasten des Beklagten eingelegt wurde, widerriefen die Kläger beide Aufträge. Bei einem anschließenden zufälligen Treffen überreichte der Kläger dem Beklagten einen Flyer, der mit „Der Handwerker-Widerruf – Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern“ überschrieben war, und erklärte, dass er daraus ein neues Geschäftsmodell entwickelt habe.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, ihnen stünde hinsichtlich des ersten Auftrags einschließlich des Zusatzauftrags „Wakaflex“ ein Widerrufsrecht wegen eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages zu. Mit der Klage nahmen sie den Beklagten auf Rückzahlung der für beide Aufträge entrichteten Vergütung in Anspruch.
Das AG Hameln hatte die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger sei rechtsmissbräuchlich gewesen. Auf die Berufung der Kläger hat das LG Hannover das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten zur Rückzahlung der für den Zusatzauftrag „Wakaflex“ gezahlten Vergütung in Höhe von 1.164,38 EUR verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollte der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen.
Der BGH, Urteil vom 06.07.2023, Az. VII ZR 151/22, hob das Urteil des LG Hannover auf und verwies den Rechtsstreit an dieses zurück. Da es an notwendigen Feststellungen fehlte, war der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif. Der BGH ging – insofern in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht – davon aus, dass es sich betreffend „Wakaflex“ um einen selbständigen Zusatzvertrag gehandelt habe, für den auch ein eigenes Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1, § 312g Abs. 1, § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB zu prüfen sei. Die Voraussetzungen eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags (§ 312b BGB) sah der BGH im vorliegenden Fall als nicht erfüllt an. Der Vertrag sei vor Ort nicht, wie nach § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB erforderlich, bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien geschlossen worden. Hierfür sei erforderlich, dass sowohl das Angebot als auch die Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner erklärt werden. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger habe nach dem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vorbringen des Beklagten für beide Kläger in dem Termin vor Ort in Anwesenheit des Beklagten lediglich dessen am Tag zuvor abgegebenes (schriftliches) Angebot für die Reparatur des beschädigten Wandanschlusses angenommen. Die Vorschrift des § 312b BGB könne über ihren Wortlaut hinaus nicht dahin ausgelegt werden, dass jedwede Vertragserklärung des Verbrauchers – also auch, wie hier, eine Annahmeerklärung – erfasst werden soll, die dieser bei gleichzeitiger Anwesenheit mit dem Unternehmer an einem nicht zum Geschäftsraum des Unternehmers gehörenden Ort abgibt.
Den Rechtsmissbrauchseinwand ließ der BGH nicht gelten. Hierzu hatte der Beklagte nicht genügend vorgetragen, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 17. Mai 2023 – C-97/22), der den fehlenden Wertersatz im Widerrufsfalle als „erzieherische Maßnahme“ ansieht, um die Belehrungspflicht als gesetzeskonformes Verhalten durchzusetzen.