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Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften

Auf die zum 01.10.2021 in Kraft tretenden Änderungen durch das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften, auch auf Klarstellungen durch die anstehenden Gesetzesänderungen, wird nur eingegangen, soweit diese für die Arbeitsabläufe bereits bestehender Inkassounternehmen relevant erscheinen (Anforderungen für erstes Inkassomahnschreiben an eine Privatperson, Hinweispflichten, Gebührenerstattungs-Thematiken, Zwangsvollstreckungsverfahren). Auf die Vergütung der Rentenberater (§ 13d RDG n. F.) und diverse das Registrierungs- und Aufsichtsverfahren betreffende Regelungen wird in dieser Darstellung nicht eingegangen.

Hinweis: Weitere Pflichtinformationen bei Inkassodienstleistungen für Verbraucher werden demnächst mit § 13f RDG n. F. hinzukommen (Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, Inkrafttreten zum 01.10.2021 erwartet).

Quellen:

Bundesgesetzblatt (Bundesanzeiger)

Gesetzesbegründung

BGH, Beschluss vom, 09.06.2008, Az. AnwSt (R) 5/05 (Abgrenzung Anwalts- und Inkassotätigkeit)

 

Artikel 1 – Änderung des RDG

13a RDG n. F. – Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen

Die Pflichtinformationen sind bislang in § 11a RDG geregelt, der aufgehoben wird. Die Vorgaben werden nun verschoben in § 13a RDG n. F. Hinzu kommen dort Klarstellungen und Erweiterungen.

Abs. 1:  Hier erfolgt die Klarstellung, dass die Darlegungs- und Informationspflichten in einem ersten Inkassomahnschreiben an eine Privatperson in Textform zu erfüllen sind.

Abs. 1 Nr. 1: Nun ist neben dem Namen / der Firma des Auftraggebers auch dessen ladungsfähige Anschrift anzugeben (bislang musste das nur auf Nachfrage hin geschehen, § 11a S. 2 Nr. 1 RDG a.F.). Weiterhin nur auf Nachfrage einer Privatperson (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 RDG n. F.) anzugeben: die Person, bei der die Forderung entstanden ist (Abtretungsfälle).

Abs. 1 Nr. 2: Hinzu gekommen ist die Pflicht zur Konkretisierung, welche Angaben bei einer unerlaubten Handlung zu machen sind: „Art und Datum der Handlung“. Bezüglich vertraglicher Forderungen gilt weiterhin, dass die konkrete Darlegung des Vertragsgegenstandes und des Datums des Vertragsschlusses zu erfolgen hat. Weitergehende Informationen („die wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses“) sind nur auf Nachfrage einer Privatperson (§ 13a Abs. 2 Nr. 2 RDG n. F.) zu erteilen.

Abs. 1 Nr. 7: Neu hinzugekommen ist die Hinweispflicht bei Adressermittlung: 1) Tatsache, dass die Adresse nicht vom Gläubiger mitgeteilt, sondern später ermittelt wurde, 2) Information an den Schuldner, wie er eventuelle Fehler bei der Adressermittlung geltend machen kann. Die Gesetzesbegründung (S. 49) lässt bei größeren Unternehmen für Reklamationen insofern die Bekanntgabe einer eigens hierfür eingerichteten Email-Adresse oder eine Webseite mit der Möglichkeit einer widersprechenden Eintragung durch den Schuldner zu.

Abs. 1 Nr. 8: Ebenfalls neu eingeführt worden ist die Pflicht, Angaben zur Aufsichtsbehörde zu machen: „Bezeichnung, Anschrift und elektronische Erreichbarkeit der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde“ – Die Gesetzesbegründung führt dazu aus: „Diese für den Schuldner gewinnbringende Vorgabe kann von den Inkassodienstleistern sehr einfach erfüllt werden (zum Beispiel durch Ergänzung des Briefkopfs oder des Textbausteins, der die übrigen nach § 13a RDG-E zu erteilenden Informationen enthält).

Abs. 2: Bei Anfrage einer Privatperson nach den ergänzenden Informationen (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 und 2 RDG n. F.) erfolgen mit der Neufassung Klarstellungen bezüglich der Vorgaben, nämlich: 1) Textform und 2) unverzügliche Erteilung.

Abs. 3: Privatpersonen müssen ab dem 01.10.2021 vor Abschluss einer Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung in Textform auf dadurch entstehende Kosten hingewiesen werden. Gemäß der Gesetzesbegründung (S. 50) handelt es sich um eine Berufspflicht, die keine Auswirkung auf die zivilrechtliche Kostenforderung hat. Regelmäßig wird der Hinweis innerhalb eines Angebots auf Abschluss eines Ratenzahlungsvertrags erfolgen.

Abs. 4: Eine weitere Aufklärungspflicht trifft Inkassounternehmen ab dem 01.10.2021, falls einem privaten Schuldner ein Schuldanerkenntnis unterbreitet wird. Dies lässt sich mit einem Textbaustein erledigen. Der Umfang richtet sich nach der Art und dem Inhalt des Anerkenntnisses (Gesetzesbegründung S. 51). In Anlehnung an die Gesetzesformulierung könnte der Hinweis z.B. wie Folgt aussehen:

„Wir weisen darauf hin, dass Sie durch das Schuldanerkenntnis in der Regel die Möglichkeit verlieren, Einwendungen und Einreden gegen die anerkannte Forderung geltend zu machen (z. B. betreffend das Nichtbestehen der Forderung, deren Erfüllung oder Verjährung). Vom Schuldanerkenntnis sind   Haupt-, Neben- und Kostenforderungen erfasst.“

 

13b RDG n. F. – Erstattungsfähigkeit der Kosten von Inkassodienstleistern

Die bislang in § 4 Abs. 4 und 5 EGRDG enthaltenen Regelungen (u. a. die „Deckelungsvorschrift“, Vergleich mit Rechtsanwaltsgebühren) ist nun in § 13b RDG n. F. verschoben worden.

Da das RDG im UKlaG erwähnt ist, wird man zukünftig möglicherweise noch mit verstärkten Aktionen der Verbraucherschützer rechnen können.

Die Gesetzesbegründung betont den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz für gleichartige Tätigkeiten von Rechtsanwalt und Rechtsdienstleister (Gesetzesbegründung S. 51). Die bislang im EGRDG enthaltene Regelung, dass Anwälte mehr Geld für die Bearbeitung des gerichtlichen Mahnverfahrens erhalten, ist in § 13b RDG n. F. daher nicht übernommen worden. Für die Rechtsdienstleister gilt also auch insofern nun die Gleichheit.

Für die Zwangsvollstreckung ist ebenfalls klargestellt, dass der Gleichheitsgrundsatz gilt (§ 13b Abs. 2 RDG n. F.).

 

13c RDG n. F. – Beauftragung von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern

Bei einer Beauftragung von Rechtsanwalt und Rechtsdienstleister in derselben Sache sind grundsätzlich nur einmal die Kosten zu erstatten. Ausnahmen sind nach § 13c Abs. 2 RDG n. F. möglich.

 

Artikel 2 – Änderung des RVG

Das gebührenrechtliche System ist an zwei Stellen grundsätzlich verändert worden:

13 Abs. 2 RVG n. F. – neue Wertstufe „bis 50 EUR“

„(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.“

Anlage 1 VV zum RVG Nr. 2300 n. F. –  reduzierter Gebührenrahmen

„(2) Ist Gegenstand der Tätigkeit eine Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft, kann eine Gebühr von mehr als 0,9 nur gefordert werden, wenn die Inkassodienstleistung besonders umfangreich oder besonders schwierig war. In einfachen Fällen kann nur eine Gebühr von 0,5 gefordert werden; ein einfacher Fall liegt in der Regel vor, wenn die Forderung auf die erste Zahlungsaufforderung hin beglichen wird. Der Gebührensatz beträgt höchstens 1,3.“

Wichtige Voraussetzungen, die für beide Regelungen gelten:

  • Gegenstand des Auftrags muss eine „Inkassotätigkeit“ im gebührenrechtlichen Sinne sein.
  • Die Regelungen betreffen nur unbestrittene Forderungen.
  • Sie gelten nur für die Geschäftsgebühr.

Für den „einfachen Fall“ in Anlage 1 VV zum RVG Nr. 2300 n. F. erwähnt die Gesetzesbegründung die „Online-Selbsteintragung der Forderung“ (S. 62 unten). Hier könnte man argumentieren, dass damit in erster Linie automatisierte Systeme (wie Legal Tech Anwendungen) gemeint sind. Allerdings hat der Gesetzgeber aber weitergehend als Standardfall vor Augen, dass die unbestrittene Forderung binnen einer Frist von zwei Wochen anstandslos und vollständig bezahlt wird. Siehe dazu die Gesetzesbegründung (S. 63):

„Als Regelbeispiel eines einfachen Falls soll die Konstellation bestimmt werden, in der der Auftrag bereits mit einer Zahlungsaufforderung erledigt werden konnte. Dies betrifft insbesondere den Fall, in dem der Schuldner die Forderung innerhalb einer ihm mit der ersten Zahlungsaufforderung gesetzten angemessenen Zahlungsfrist, die in der Regel zumindest zwei Wochen betragen sollte, vollständig erfüllt hat. Das Regelbeispiel soll aber auch den Fall erfassen, in dem auf die erste Zahlungsaufforderung unmittelbar eine Zahlungsvereinbarung getroffen wird, die der Schuldner dann vereinbarungsgemäß erfüllt. Denn in diesem Fall wird der zusätzliche Aufwand der Rechtsanwältin, des Rechtsanwalts oder des Inkassodienstleisters durch die ihm dann zustehende Einigungsgebühr ausgeglichen. Ergibt sich dagegen zum Beispiel durch eine vom Schuldner dem Gläubiger nicht mitgeteilte Adressänderung zusätzlicher Aufwand für die Rechtsanwältin, den Rechtsanwalt oder den Inkassodienstleister, wird zumeist nicht mehr von einem einfachen Fall ausgegangen werden können.“

Bezüglich des besonders umfangreichen / schwierigen Falles in Anlage 1 VV zum RVG Nr. 2300 n. F. führt die Gesetzesbegründung (S. 63) aus:

„Eine Adressermittlung dürfte regelmäßig noch zum durchschnittlichen Tätigkeitsumfang einer Inkassodienstleistung gehören. Sofern jedoch ein Schuldner durch mehrfache nicht mitgeteilte Umzüge immer wieder Adressermittlungen erforderlich macht, kann dies im Einzelfall einen erhöhten Gebührensatz rechtfertigen. Ähnliches gilt für die Überwachung von Ratenzahlungen. Hierbei wird die Überwachung einer auf einige Raten beschränkten Vereinbarung in der Regel noch zu einer durchschnittlichen Inkassotätigkeit zu zählen sein. Sollte jedoch auf Wunsch des Schuldners beispielsweise eine zweistellige Zahl von Raten zu überwachen sein, so kann dies wiederum einen Anhaltspunkt für eine besonders umfangreiche Tätigkeit darstellen. Eine hohe Zahl von schriftlichen oder telefonischen Mahnungen dürfte sich jedenfalls dann nicht gebührenerhöhend auswirken können, wenn nicht davon auszugehen war, dass die Mahnungen noch einen Erfolg bringen würden. Ähnliches dürfte für Hausbesuche gelten: Ein vom Schuldner nicht gewünschtes Aufsuchen seiner Wohnung wird keine Erhöhung rechtfertigen können; wird dagegen mit dem Schuldner zusammen auf dessen Wunsch dessen finanzielle Situation zum Beispiel im Rahmen eines Hausbesuchs eingehend aufgearbeitet, so wird dies oft eine Erhöhung begründen können.“

25 RVG – Einholung von Drittauskünften in der Zwangsvollstreckung

Mit der Gesetzesänderung erfolgt nun die Klarstellung, dass der gedeckelte Streitwert (Zwangsvollstreckung) sich nun auch auf die Einholung von Drittauskünften erstreckt.

31b RVG – Gegenstandswert bei Zahlungsvereinbarungen

Ab dem 01.10.2021 ist als Gegenstandswert für Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen 50 % des Anspruchs (der Hauptforderung) anzusetzen. Nach bisheriger Rechtslage hat sich der Gegenstandswert nach 20 % des Anspruchs bestimmt. Insofern erfolgt hier eine Aufbesserung (die allerdings durch die Absenkung des Gebührenrahmens wieder beseitigt wird).

Die Einigungsgebühr beträgt ab dem 01.10.2021 nämlich nur noch 0,7 (statt bislang 1,5) in folgenden Fällen, Anlage 1 VV 1000 Nr. 2 RVG n. F.:

„2. durch den die Erfüllung des Anspruchs geregelt wird bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf seine gerichtliche Geltendmachung oder, wenn bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen 1,5 (Zahlungsvereinbarung) .“

Die Neuregelung ist – was nun klargestellt wird – auch dann anwendbar, wenn neben der Einigung noch weitere Vereinbarungen getroffen werden (Gesetzesbegründung S. 62).

 

Art. 3  –  Änderung der BRAO

Den Rechtsanwalt treffen bei Inkassodienstleistungen entsprechende – erweiterte – Informationspflichten wie den Rechtsdienstleister (§ 43d BRAO n. F.).

 

Art. 8  –  Änderung der ZPO

Durch § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO n. F. erfolgt die Klarstellung, dass Rechtsdienstleister bis zum streitigen Verfahren (also komplettes gerichtliches Mahnverfahren) und im gesamten Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen (incl. Haftbefehls-Verfahren, Drittauskünfte pp.) vertretungsbefugt sind. Die Vollmacht kann im Zwangsvollstreckungsverfahren versichert werden, ein Nachweis ist nur bei Zweifeln erforderlich (§ 753a ZPO n. F.)

 

Strategische Überlegungen bezüglich der Bestimmung der Inkassokosten

Bei der Bestimmung der Obergrenze der Erstattungspflichtigkeit des Schuldners ist nach wie vor zunächst zu klären, welche Kostenerstattung bei anwaltlicher Tätigkeit zulässig ist (§ 13b Abs. 1 RDG n.F. sowie Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG).

Dazu sind in der folgenden Reihenfolge Voraussetzungen zu prüfen, die je nach Ergebnis zu einer Weichenstellung führen.

Inkassodienstleistung

Die erste Frage, ob eine Inkassodienstleistung im Sinne des RVG (§ 13 Abs. 2 RDG n. F. bzw. Anlage 1 VV zum RVG Nr. 2300 n. F.) vorliegt, muss auch zunächst anwaltsbezogen untersucht werden. Gerade ein Rechtsanwalt wird sich dagegen wehren, für jeden Forderungseinzug als „Inkassodienstleister“ angesehen zu werden. Die begrifflichen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber jedenfalls für die Abgrenzungen, die sich beim RVG ergeben, nicht geklärt. Die Definition in § 2 Abs. 2 RDG (Einziehung fremder Forderung als eigenständiges Geschäft) ist hier nicht maßgeblich bzw. brauchbar, da ansonsten fast jedes auf außergerichtliche Geltendmachung einer Forderung gerichtete Mandat eine „Inkassodienstleistung“ wäre. Zudem ist für den Rechtsanwalt nicht das RDG maßgeblich. Der Gesetzgeber hat – wie er in der Begründung zur noch anstehenden Änderung des RDG (Entwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt, Inkrafttreten zum 01.10.2021 erwartet, Gesetzesbegründung S. 39 f.) zum Ausdruck gebracht hat -, die Frage grundsätzlich offengelassen, damit diese in der Rechtsprechung geklärt und den dynamischen Verhältnissen auf dem Markt jeweils angepasst werden kann.

Derzeit könnte man die Entscheidung des BGH vom, 09.06.2008, Az. AnwSt (R) 5/05 als Auslegungshilfe heranziehen, Leitsatz:

„Die Abgrenzung zwischen Anwalts- und reiner Inkassotätigkeit hängt davon ab, ob die dem Rechtsanwalt eigentümliche Aufgabe, rechtlichen Beistand zu leisten, so in den Hintergrund getreten ist, dass es gerechtfertigt ist, die beworbene Aufgabe als reine Inkassotätigkeit zu werten.“

Es findet eine Art „Schwerpunktermittlung“ statt, ob die klassische Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts, eine individuell geprägte Bearbeitung und die bislang hinlänglich bekannte „typische“ Anwaltstätigkeit stattfindet.

Somit bieten sich Möglichkeiten, die Fälle, die nicht massenhaft gleichartig anfallen, die nicht den typischen Rechtsgebieten zuzuordnen sind und für die sich der Prüfungs- und Bearbeitungsaufwand wegen der Ähnlichkeit stark reduziert, aus dem Anwendungsbereich der „Inkassodienstleistung“ im gebührenrechtlichen Sinne herauszunehmen:

Beispiele:

  • Rückforderung einer Mietkaution
  • Forderung aus dem Verkauf eines Unternehmens
  • Darlehensforderung
  • Schadenersatzforderung wegen Nichterfüllung eines Vertrages
  • Schmerzensgeldforderung
  • Werklohnforderung

Indizien, die für den typischen Rechtsanwaltsauftrag (und damit untypischen Fall für den Inkassounternehmer) sprechen, sind: Höhe der Forderung, Individualität und besonderes Rechtsgebiet.

Alles, was im gebührenrechtlichen Sinne nicht als „Inkassodienstleistung“ einzuordnen ist, wird regelmäßig mit 1,3 Geschäftsgebühr abgerechnet.

 

Unbestrittene Forderung

Dies ist ein weiteres Kriterium, das aus dem Anwendungsbereich der neuen Gebührenregelungen hinausführt. Hier sind Rechtsdienstleister auf die Information der Gläubiger angewiesen. Falls der Gläubiger mitteilt, der Schuldner habe sich gegen die Forderung (und sei es auch nur in einem Telefonat) gewendet, ist diese nicht mehr „unbestritten“. Das Problem könnte aber der Nachweis des Bestreitens sein. Hier sind z. B. auch Fälle denkbar, in denen ein Familienangehöriger bestritten hat, später aber vom Schuldner die Vollmacht dazu geleugnet wird. Dort, wo der Nachweis des Bestreitens nicht gelingt, werden nach der wettbewerbsrechtlichen Rechtslage der Gläubiger und das Inkassounternehmen (auch der Rechtsanwalt) beide auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können (§§ 3a, 5 bzw. 5a, 8 Abs. 1, 2, 3 UWG). Auf Verschulden kommt es insofern nicht an. Derzeit ist das UWG in diesem Bereich noch nicht praxisrelevant, kann es aber werden.

Durch Aufklärung im Dialog mit dem Gläubiger lassen sich ggf. Bestreitensfälle darstellen, um dem Bereich der Gebührenabsenkung zu entkommen. Jedenfalls lohnt es sich, soweit automatisierte Abläufe dem nicht entgegenstehen, den Gläubiger bei Übergabe darauf hinzuweisen und konsequent Nachweise zum Bestreiten anzufordern.

Bei bestrittenen Forderungen wird regelmäßig mit 1,3 Geschäftsgebühr abgerechnet.

 

Bei Vorliegen eines unbestrittenen Inkassofalles mit Gegenstandswert bis 50 EUR

Hier wird es schwer, den Gegenstandswert zu erhöhen, indem weitere Schadenspositionen hinzuaddiert werden. Meist wird es sich bei weiteren Positionen um Nebenforderungen (§ 43 GKG spricht insofern von – nicht mitzählenden – „Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten“) handeln, die außergerichtlich bei der Bemessung des Gegenstandswertes nicht mitzählen.

Hier könnte noch einmal überlegen, ob es im Einzelfall mitzählende Zusatzforderungen gibt, die der Hauptforderung hinzugerechnet werden, um den „Sprung“ über die 50 EUR zu schaffen.

 

Bei Vorliegen eines unbestrittenen Inkassofalles mit Gegenstandswert über 50 EUR

Liegt eine unbestrittene Inkassoforderung vor, wird man sich über die Einordnung als einfacher und besonders umfangreicher / schwieriger Fall Gedanken machen müssen.

Einfacher Fall

Der Gesetzgeber hat hier das Modell vor Augen: Der Schuldner zahlt ohne weitere Komplikationen auf ein Standardschreiben hin binnen zwei Wochen vollständig.

Da man nicht voraussehen kann, ob dieser Fall eintritt, kommt hier eine Stufen-Lösung in Frage z. B. dahingehend, dass dem Schuldner zunächst nur eine 0,5 Geschäftsgebühr berechnet wird mit der Ankündigung einer Aufstockung, falls nicht fristgerecht und vollständig gezahlt wird. Sollte das nicht der Fall sein, könnte die weitere 0,4 Gebühr nachberechnet werden.

Im Einzelfall könnte wegen besonderen Prüfungsaufwandes von vornherein der einfache Fall zu verneinen und die 0,9 Gebühr zu berechnen sein. Als Argument – keine typische einfache Forderung – ließe sich das in der Gesetzesbegründung erwähnte „Level“ mit Nennung des Beispiels der „Online-Selbsteintragung der Forderung“ (S. 62 unten) anführen. Es wird aber – von Ausnahmen abgesehen – ein „schmaler Grad“ sein.

Ggf. kann bei Fällen mit Auslandsbezug wegen des Aufwandes (z. B. dazwischen geschaltete Ansprechpartner, Mitberücksichtigung ausländischen Rechts) auch der besonders umfangreiche bzw. schwierige Fall darstellt werden.

 

Besonders umfangreicher / schwieriger Fall

Anknüpfend an die Gesetzesbegründung (S. 63) könnte man folgende Fälle – je nach Würdigung – nicht nur aus dem Anwendungsbereich des einfachen Falles, sondern auch aus dem Anwendungsbereich für die 0,9 Gebühr (also dann regelmäßig 1,3 Gebühr) herausnehmen:

  • Mehrfache Adressermittlungen
  • Zweistellige Anzahl von Ratenzahlungsvorgängen zu bearbeiten
  • Hohe Anzahl von schriftlichen oder telefonischen Mahnungen (soweit noch eine Erfolgswirkung zu erwarten war)
  • Hausbesuch (hier könnte man ggf. ein überlanges Telefonat als vergleichbar ansehen)

Entweder Abrechnung mit 0,9 Gebühr oder mit 1,3 Gebühr.

 

Dr. Harald Schneider
RA, FA-IT Recht