Rechtsprechung

LG Cottbus: Zum Widerrufsrecht bei individualisierter Ware

In einem Rechtsstreit vor dem LG Cottbus (Urteil vom 29.09.2022, Az. 2 O 223/21) stritten die Parteien wegen der Wirksamkeit einer Verbraucher-Widerrufserklärung. Der Kläger (Verbraucher) hatte in seiner Wohnung anlässlich des Besuchs eines Vertreters der Beklagten einen Kaufvertrag über die Lieferung einer originalgetreuen Wiedergabe bzw. eines Buches (Faksimile) zum Preis von 7.920,00 EUR abgeschlossen. Auf der von der Beklagten verwendeten Bestellurkunde befand sich ein Kästchen mit dem nachfolgenden Text:

„Personalisierung gewünscht / Name und Editionsnummer auf Messingschild (Widerrufsrecht nach Lieferung ausgeschlossen)“.

Dieses Kästchen hatte der Kläger auf Anweisung des Vertreters der Beklagten händisch angekreuzt. Ein betreffendes Messingschild kostet weniger als 20,00 EUR und wird üblicherweise mit Schrauben oder Nieten befestigt. Es lässt sich ohne Substanzbeeinträchtigung an der eigentlichen Ware wieder entfernen und durch ein anderes, gleichgroßes Messingschild ersetzen.

Der Bestellurkunde lagen eine Widerrufsbelehrung und ein Widerrufsformular bei. Die Widerrufsbelehrung enthält den Hinweis, dass der Widerruf „mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail)“ auszuüben sei. Eine Anschrift, eine Telefaxnummer oder eine E-Mail-Adresse der Beklagten enthielt die Widerrufsbelehrung nicht.

Der Kläger zahlte den Kaufpreis und erhielt das Faksimile. Auf der Innenseite des Einbandes des gelieferten Faksimiles war ein gefaltetes Blatt Papier eingeklebt worden. Auf der linken Seite des Blattes wurde unter der Überschrift „Notarielle Beurkundung“ bekundet, dass das Faksimile die Nummer „DEX – 87 -“ trage. Die Erklärung war mit einer unleserlichen Unterschrift und einem Datum versehen. Auf der rechten Seite des Blattes wurde u.a. erklärt, dass die Verkaufsauflage dieser Faksimile-Ausgabe auf 180 von Hand nummerierte Exemplare limitiert sei. Ferner war dort unter dem vorgedruckten Text „Dies ist das persönliche Exemplar für“ handschriftlich der Name des Klägers eingetragen. Eine Unterschrift befand sich auf dieser Seite des eingeklebten Blattes nicht. Außer dieser Eintragung des Namens des Klägers enthielt das Buch keine den Kläger individualisierten Merkmale, insbesondere auch kein Messingschild.

Mit Schreiben vom 25.01.2021 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Kauferklärung. Mit Schreiben vom 04.02.2021 antwortete die Beklagte, sie habe das Widerrufsschreiben am 29.01.2021 per Post erhalten. Der Widerruf werde nicht akzeptiert, weil die Widerrufsfrist bereits abgelaufen sei und der Kläger ein personalisiertes Buch erhalten habe.

Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Faksimile sowie Erstattung seiner vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten. Er begründete seine Ansprüche damit, bei der in das Faksimile eingeklebten „Beglaubigung“ habe es sich um eine aufgedrängte Personalisierung gehandelt, durch die das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen sei. Es lasse sich nicht mit dem Schutzzweck des § 312g Abs. 1 S. 2 BGB vereinbaren, dass der Verkäufer eine Personalisierung dadurch vornehme, dass er vor dem Versand den Namen des Käufers händisch eintrage. Dieser Eintrag sei wertlos und ziele nur darauf ab, in gesetzwidriger Weise das Widerrufsrecht auszuschließen. Durch die Vereinbarung, dass ein Messingschild angebracht werden solle, sei das Widerrufsrecht ohnehin nicht ausgeschlossen worden, da ein solches Schild tatsächlich nicht angebracht worden sei.

Das LG Cottbus gab der Klage statt. Zum einen sei das Messingschild, in dem die Beklagte eine Personalisierung der Ware sieht, gar nicht geliefert worden. Zum anderen habe die Beklagte dahingehend belehrt, dass das Widerrufsrecht erst im Falle einer Personalisierung „nach Lieferung“ ausgeschlossen sei. Hier liege aber (wegen des fehlenden Messingschildes) der Fall des Widerrufs vor Lieferung eines personalisierten Faksimile vor. Die Klage hätte aber selbst bei Lieferung des Faksimile mit personalisierendem Messingschild keinen Erfolg gehabt. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH führte das LG Cottbus dazu wie Folgt aus: Nach dem Sinn und Zweck des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB soll ein Widerruf in Fällen ausgeschlossen sein, in denen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder allenfalls noch unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass absetzen kann. Entscheidend ist, ob die Anfertigung der Ware bzw. deren Zuschnitt auf die Bedürfnisse des Verbrauchers nicht ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder rückgängig zu machen ist (BGH, Urt. v. 19.03.2003 – VIII ZR 295/01 – Juris, Rn 15). In der vorstehend genannten Entscheidung hatte der BGH Rückbaukosten jedenfalls unter 5 % des Warenwerts als noch verhältnismäßig angesehen. Hinzu kam noch, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten unvollständig und die 14tägige Widerrufsfrist damit nicht abgelaufen war.

Zum Ausschluss des Widerrufsrechts in Fällen der Personalisierung weisen wir auch auf die Entscheidung des LG Oldenburg (Urteil vom 13.11.2018, Az. 15 O 1335/18) hin. Danach besteht ein Widerrufsrecht für Kleider, wenn der Maßschneider sie bereits vor einem Kundenkontakt „besonders zugeschnitten“ hat, sie aber in Standardgrößen anbietet. Ferner sei die Entscheidung des LG Stuttgart (Beschluss vom 27.08.2018, Az. 36 O 53/18 KfH) erwähnt. In diesem Falle ging es um den Vertrieb einer Hausordnung, die mit einem Namen individualisierbar war. Falls der Personalisierungswunsch in einem solchen Fall erst nach Vertragsabschluss geäußert wird, liegt eine nachträgliche Abrede vor, so dass kein Raum für einen Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs.2 Nr.1 BGB besteht.