Rechtsprechung

BGH: Beauftragung eines Rechtsdienstleisters zur Mietsenkung ist zulässiges Legal Tech-Modell

Der BGH (Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18) hatte bereits grundsätzlich den Weg frei gemacht für die Entwicklung des Legal Tech-Modells von wenigermiete.de (Mietpreisbremse).

Wegen der Bemühungen jedenfalls eines Teils der Berliner Gerichtsbarkeit, konservative Grundlinien beizubehalten, musste der BGH (Urteil vom 30.03.2022, Az. VIII ZR 256/21, sowie Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18) sich erneut mit dem Geschäftsmodell von wenigermiete.de befassen. Das LG Berlin (Urteil vom 05.08.2021, Az. 67 S 75/21) war – als Berufungsgericht (Vorinstanz: AG Berlin-Mitte, Urteil vom 17.03.2021, Az. 9 C 105/20) – der Auffassung gewesen, dass es sich im Kern um eine dem Rechtsdienstleister nicht erlaubte Forderungsabwehr handele, weil es bei wenigermiete.de schwerpunktmäßig darum gehe, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Rückforderungsansprüche würden bei einer Gesamtwürdigung nicht relevant ins Gewicht fallen. Wegen der Überschreitung der Inkassoerlaubnis (nicht erlaubte Forderungsabwehr) sei die Abtretung von Ansprüchen der Mieter an den Portalbetreiber unwirksam.

Dem hat der BGH deutlich widersprochen und Kritik an der Rechtsprechung des LG Berlin geäußert. Diese kann zusammenfassend so interpretiert werden, dass sich das LG Berlin rechtlich auf Irrwegen befindet und die Rechtsprechung des BGH (insbesondere zu wenigermiete.de im Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18, Rn. 164) ignoriert (siehe den Beitrag von Römermann zur „Generalabrechnung“ des BGH mit den Legal-Tech-Gegnern).

Der BGH beurteilte das Geschäftsmodell von wenigermiete.de auf Grund seiner früheren Entscheidung erwartungsgemäß anders als die Vorinstanz. Zu Unrecht stelle das Berufungsgericht darauf ab, die Rückforderung der überhöhten Miete falle wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der Klägerin im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei:

„Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, ist nicht als eine – einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete – Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen (Senatsurteil vom 27. November 2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 96, 219). Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen des Vermieters, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der Klägerin zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche des Mieters entbehrlich zu machen (Senatsurteil vom 27. November 2019 – VIII ZR 285/18, aaO Rn. 162; ebenso Senatsurteile vom 27. Mai 2020 – VIII ZR 31/19, WuM 2020, 645 Rn. 26 ff.; VIII ZR 121/19, juris Rn. 27 ff.; VIII ZR 128/19, juris Rn. 27 ff.; VIII ZR 129/19, ZIP 2020, 1619 Rn. 27 ff.).“

Damit hat der BGH nochmals klargestellt, dass die Inkassoerlaubnis auch Geschäftsmodelle deckt, bei denen es neben der Geltendmachung einer Geldforderung auch um Auskunfts- und Abwehransprüche geht. Darüber hinausgehend hat der BGH in seiner vorangegangenen Entscheidung zu „wenigermiete“ (Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18, Rn. 164) bezüglich des vom Inkassodienstleister geltend gemachten Auskunftsanspruchs sogar darüber hinausgehend ausgeführt, dass eine Begrenzung auf finanzielle Forderungen „ein zu enges Verständnis der Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG“ sei:

„Soweit sie [die Revision] jedoch meint, diese Ansprüche könnten nicht Gegenstand einer Inkassodienstleistung sein, weil bereits aus dem in der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG enthaltenen Begriff der Forderungseinziehung folge, dass ein Inkasso grundsätzlich das Beitreiben von Geldforderungen, nicht hingegen die Geltendmachung sonstiger Ansprüche zum Gegenstand habe, liegt dem – jedenfalls in Bezug auf die hier in Rede stehenden Auskunftsansprüche – ein zu enges Verständnis der Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG zugrunde.“

Es ist kaum zu erwarten, dass die zum Teil konservativ eingestellten unteren Gerichte und die Aufsichtsbehörden die Linie des BGH konsequent umsetzen werden. Die Reaktionen der Aufsichtsbehörden zu neuen Geschäftsideen, die im Rahmen der Überprüfung der Tätigkeitsgebiete von Inkassogesellschaften (§ 7 RDG-EG iVm § 13 Abs. 2 RDG) vorgestellt werden, lässt vermuten, dass hier noch einiges im Instanzenweg der zuständigen Gerichte zu klären ist.