News

Vorteile eines elektronischen Bürger- & Organisationenpostfachs (eBO)

Gemäß § 10 Abs. 1 ERVV in der ab dem 01.01.2022 geltenden Fas­sung ist es natürlichen und juristischen Personen sowie sonstigen Vereinigungen ab dem 01.06.2022 möglich, über das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) mit Gerichten, Behörden, Rechtsanwälten, Notaren usw. zu kommunizieren. Dies umfasst Bürger, Unternehmen, Verbände und andere Organisationen. Aber auch besondere Verfahrensbeteiligte kommen in Betracht und erweitern damit den Kreis der professionellen Nutzer des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV). Dazu gehören z.B. Gerichtsvoll­zieher*innen, Betreuer*innen, Sachverständige oder Dolmetscher*innen. Im Bereich der besonderen Gerichtsbarkeit, wie etwa Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichte, gelangen zudem auch spe­zifische Verbände, so zum Beispiel Gewerkschaften, Arbeit­geberverbände, Naturschutzorganisationen oder Sozialver­bände, in den Kreis der Nutzungsberechtigten. Bürger und Organisationen der Privatwirtschaft können allerdings nur mit Teilnehmern anderer Postfächer (Behörden, Gerichte, Anwälte, Notare usw.) kommunizieren, nicht „von privat zu privat“ mit anderen eBO-Teilnehmern.

Bei der Einrichtung eines eBO-Postfachs wird einmalig ein Registrierungsprozess durchlaufen, im Verlauf dessen eine Identifizierung des Postfachinhabers stattfindet. Es handelt sich damit um ein absenderverifiziertes Postfach, sodass künftige elektronische Signaturen wegfallen. Der Versand per eBO ersetzt die Schriftform und der Zugang der Sendung ist anhand von Sendeberichten anders als bei gewöhnlichen Poststücken und Emails nachweisbar. Für den Empfang gilt eine Zustellungsfiktion, § 173 IV ZPO.

Im Kontrast zu herkömmlichen Zustellungen können Verfahren aufgrund geringer Postlaufzeiten beschleunigt werden. Ferner können die einzelnen Zustellungen über die entsprechende OSCI-Anwendung (Software zum Versand im EGVVP-System) nachgehalten und übersichtlicher verfolgt werden, als es beim klassischen Postversand möglich ist. Darüber hinaus können auch elektronische Empfangsbekenntnisse über das eBO angegeben werden. Schließlich kann mittels des elektronischen Versands auch der Inhalt einer Nachricht bewiesen werden, was bei einem Einschreiben z.B. nicht der Fall wäre (hier ist nur der Zugangsbeweis möglich).

In Kombination mit einer entsprechenden Fachsoftware, die bei den meisten professionellen Verfahrensbeteiligten und zum Teil auch bei Organisationen der privaten Wirtschaft vorhanden sein dürfte, führt der elektronische Versand zum vollständigen Wegfall der Papierakte und bereitet den Weg zur E-Akte, inkl. vollständiger Aktenhistorie.

Ein eBO bietet datenschutzrechtliche Vorteile. Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. f der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) müssen personenbezogene Daten in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet („Integrität und Vertraulichkeit“). Die Kommunikation zwischen den als „Auslaufmodell“ zu betrachtenden Faxgeräten basierte ursprünglich noch auf einem Verbindungsaufbau mittels sogenannter Kanal- bzw. Leitungsvermittlung. Die Verbindung war für die beiden Endstellen reserviert und wurde für die Dauer der Kommunikation exklusiv von diesen Endstellen genutzt. Mittlerweile kommt fast ausschließlich die sogenannte Paketvermittlung als Grundlage der Datenübertragung auch beim Fax zum Einsatz. Dabei werden die zu übertragenden Daten mittels des TCP/IP-Standards auf sogenannte „Pakete“ aufgeteilt und über eine Vielzahl von Verbindungen zwischen mehreren vermittelnden Punkten zwischen den Endstellen übertragen. Die genutzten Verbindungen und Punkte sind dabei anders als früher nicht für die beiden Endstellen reserviert. Es ist denkbar, dass die beteiligten Zwischenpunkte weltweit verteilt sind und von verschiedensten staatlichen oder privaten Akteuren betrieben werden. Diese Akteure haben hierbei grundsätzlich die Möglichkeit, auf die von ihnen vermittelten Pakete Zugriff zu nehmen. Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn die beiden Endstellen die von ihnen versandten Pakete nicht verschlüsseln. Eine solche kommt üblicherweise nicht zum Einsatz.

Daher stellt der absenderverifizierte und Ende zu Ende verschlüsselte Versand durch ein eBO-Postfach eine datenschutzkonforme und somit gleichzeitig zukunftssichere Kommunikationsart dar.

Gemäß § 173 II ZPO sollen bereits jetzt sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eröffnen. Ab 2026 soll für diese Verfahrensbeteiligten sodann die aktive Nutzungspflicht folgen. Spätestens ab 01.01.2026 arbeiten die Gerichte nämlich ausschließlich mit der digitalen Akte (vgl. z. B. § 298a Abs. 1a S. 1 ZPO). Es ist nicht auszuschließen, dass am Ende dieser Entwicklung für Bürger und Organisationen die aktive Nutzungspflicht eines eBO für die gerichtliche und/oder behördliche Kommunikation stehen wird.

Im Gesetzestext wurde der §173 „Zustellung von elektronischen Dokumenten“ (ZPO) überarbeitet. Ein Nebensatz, der die Option zur eBO-Nutzung für professionelle Einreichende bislang offengehalten hatte, wurde gestrichen. Die ab dem 01. Januar 2024 geltende Fassung des § 173 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO regelt dann, dass „Sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“ (§173 ZPO), einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung zu eröffnen haben. Aus der bisherigen „soll“ -Bestimmung wird zum Jahreswechsel somit eine „Muss“-Bestimmung.

Für denjenigen, der häufig mit Gerichten, Behörden, Notaren, Rechtsanwälten, Steuerberatern (das Postfach der letztgenannten „beSt“ wird zum 01.01.2023 am ERV teilnehmen) zu tun hat, ist die Beantragung und Einrichtung eines eBO eine sinnvolle, moderne, datenschutz-steigernde und zukunftsorientierte Maßnahme.