Rechtsprechung

OLG Frankfurt: Zwei Ärzte können ein „Ärzte-Zentrum“ bilden

Das OLG Frankfurt hatte sich in zweiter Instanz in einem einstweiligen Verfügungsverfahren mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit einem „Zentrum“ wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Der Antragsteller betreibt eine Praxis für plastische Chirurgie in der Stadt A. Die Antragsgegnerin zu 2) und der Antragsgegner zu 3) sind Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1), die unter dem Namen „X“ eine Praxis für plastische Chirurgie in der Stadt B betreibt. Die Antragsgegner zu 2 und 3 sind Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie, der Antragsgegner zu 3 zusätzlich Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Auf der Webseite wird die Gemeinschaftspraxis der Antragsgegner als „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ bezeichnet. Diese Bezeichnung beanstandete der Antragsteller als unlautere Werbung.

Das LG Frankfurt am Main hat auf Antrag des Antragstellers den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 30.6.2022 unter anderem untersagt, in der BRD im geschäftlichen Verkehr Dienstleistungen eines plastischen Chirurgen, insbesondere Penisoperationen, unter dem Namen „Zentrum für plastische und ästhetische Chirurgie“ zu bewerben und/oder anzubieten, wenn in der Praxis insgesamt lediglich zwei Ärzte beschäftigt sind. Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das LG Frankfurt am Main (Urteil vom 30. 11.2022, Az. 2-06 O 209/22) die einstweilige Verfügung bestätigt. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Antragsgegner handelten unlauter, da der Verkehr mit dem Begriff „Zentrum“ eine gewisse Größe und Marktbedeutung des so bezeichneten Unternehmens verbinde, an der es hier fehle.

Gegen das Urteil legten die Antragsgegner Berufung ein, die vor dem OLG Frankfurt (Urteil vom 11.05.2023, Az. 6 U 4/23) Erfolg hatte. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts weist der Begriff „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe (nur dieses Kriterium war Gegenstand des Antrages) hin. Zwar hatte der BGH im Jahre 2012  (Urteil vom 18.01.2021, Az. I ZR 104/10- Neurologisch/Vaskuläres Zentrum) die Bezeichnung „Neurologisches/Vaskuläres Zentrum“ für eine mit einem Internisten als „Chefarzt“ besetzte Unterabteilung eines Krankenhauses als irreführend beanstandet, weil die fragliche Unterabteilung erkennbar nicht über eine über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung auf dem fraglichen Gebiet verfügte. Die Verwendung des Wortes „Zentrum“ deute – auch mit Blick auf die Verwendung des Begriffs „Medizinisches Versorgungszentrum“ (MVZ) in § 95 I SGB V – in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Leistungen der fraglichen Unterabteilung über das Leistungsangebot eines von den Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen Arztes hinausgehen. Inzwischen haben sich aber die gesetzlichen Voraussetzungen geändert. Nach § 95 I 1 SGB V erfordert ein MVZ keine bestimmte Größe. Auch ist das früher bestehende Erfordernis einer fachübergreifenden Kooperation 2015 entfallen. Der einzige Unterschied zu einer Berufsausübungsgemeinschaft besteht darin, dass nicht der einzelne Arzt, sondern das MVZ als Einrichtung zugelassen wird.

Damit besteht für Praxen mit zwei tätigen Ärzten nach Auffassung des Gerichts nunmehr die Möglichkeit, sich als MVZ zuzulassen und unter der Bezeichnung „Medizinisches Versorgungszentrum“ auf dem Markt aufzutreten. Dass die „gesetzliche Definition“ in § 95 I 2 SGB V Auswirkungen auf das Verständnis des allgemeinen Begriffs „Zentrum“ hat, dränge sich geradezu auf. Das häufige Auftreten der MVZ auf dem Markt der Versorgung mit medizinischen Dienstleistungen wirke einem Verständnis entgegen, das von einer überdurchschnittlichen Größe der Praxis ausgeht. Unter dem Gesichtspunkt der Berufungsausübungsfreiheit der Art. 3 I, 12 I GG wäre es zudem verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, einem „Zentrum für ästhetische und plastische Chirurgie“ mit zwei ärztlichen Mitarbeitern diese Bezeichnung zu untersagen und zugleich einem „Medizinischem Versorgungszentrum für ästhetische und plastische Chirurgie“ wegen § 95 I 2 SGB V die Verwendung der Bezeichnung „Zentrum“ zu erlauben. Es wäre nämlich nicht denkbar, den Betreibern eines MVZ die Benutzung eines im SGB X legaldefinierten Begriffs unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu untersagen.