Rechtsprechung

Fair Commerce Initiative ohne Wirkung im Rechtsstreit

Zur Eindämmung von Abmahnungen hatte der Händlerbund eine Initiative „FairCommerce“ (www.fair-commerce.de) ins Leben gerufen. Ziel ist es u. a., dass sich Teilnehmer der Initiative zunächst kostenneutral auf Marken-, Wettbewerbs- und Urheberverstöße hinweisen, bevor dann nach fruchtlosem Ablauf einer sog. „Anstandsfrist“ kostenpflichtig abgemahnt wird. Erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist soll dann die Abmahnung möglich sein. Um Teil der Initiative zu werden, muss ein Händler allerdings erst ein Abonnement für ein Mitgliedschaftspaket beim Händlerbund abschließen (zwischen 9,90 EUR bis 39,90 EUR zzgl. MwSt., Stand: 27.07.2018). Das Programm „FairCommerce“ beschränkt sich damit auf Händlerbund-Mitglieder. Zur äußeren Erkennbarkeit der Teilnehmer wurde ein Logo (Grafik eines Handschlages mit dem Slogan „Fairness im Handel“) entwickelt und zur Verfügung gestellt.

In einem Rechtsfall, der beim LG und nachfolgend beim OLG Hamburg anhängig war, waren beide Parteien Teilnehmer von „FairCommerce“. Der Abmahner beachtete die Verhaltenspflichten der Teilnahmebedingungen nicht und mahnte sogleich in vollem Umfange ab. Der Abgemahnte reklamierte die Verletzung der gemeinsam akzeptierten „FairCommerce“-Teilnahmebedingungen. Dort heißt es in § 4 Abs. 2 b):

„Im Falle einer Rechtsverletzung wird der feststellende Teilnehmer den anderen Teilnehmer vor Einleitung kostenpflichtiger außergerichtlicher oder gerichtlicher Maßnahmen zunächst auf die Rechtsverletzung hinweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Beseitigung binnen 7 Tagen geben. Der Hinweis ist an die im Impressum des Teilnehmers angegebene Email-Adresse zu richten. Etwaig entstehende Kosten für diese Anzeige machen die Teilnehmer untereinander nicht geltend.

Ein Verzicht auf die im Zusammenhang mit der Rechtsverletzung gegebenenfalls bestehenden sonstigen Ansprüche (Unterlassungs-, Beseitigungs-, Auskunfts- oder Schadenersatzansprüche) ist mit dieser Verfahrensweise nicht verbunden.“

Da der Abmahner sich nicht an die vorstehenden Regeln gehalten habe, sei seine Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, argumentierte der Abgemahnte. Das OLG Hamburg (Beschluss vom 29.05.2018, Az. 3 W 39/18) sah das ganz anders. Die „FairCommerce“-Regeln seien insofern rechtlich für den Fall nicht relevant. Insbesondere sei damit kein Verzicht auf einen Unterlassungsanspruch verbunden. Auf die Frage, wo und wie auf der Webseite des Abgemahnten auf „FairCommerce“ aufmerksam gemacht wurde, kam es für das Gericht nicht mehr an:

„Die Mitgliedschaft beider Parteien in der Fair-Commerce-Initiative steht der Geltendmachung des vorliegenden Unterlassungsanspruchs nicht entgegen. Denn gemäß § 4 Abs. 2 lit b) Abs. 2 der Teilnahmeregeln sind die in § 4 der Teilnahmeregeln enthaltenen Verhaltenspflichten im Hinblick auf die Abmahnung anderer Mitglieder der Initiative schon nicht mit einem Verzicht auf die mit der Rechtsverletzung verbundenen Unterlassungsansprüche verbunden (Anlage 8). Auf die Frage, ob die Antragsgegner auf ihrer Internetseite hinreichend auf ihre Mitgliedschaft in der Fair-Commerce-Initiative hingewiesen haben, kommt es danach nicht mehr an.“

Als Fazit bleibt festzustellen, dass die Teilnahme an der „FairCommerce“-Initiative (gerichtlich) nicht zu dem gewünschten Erfolg führt. Sie scheint eher das Konstrukt einer Werbung zu sein. Die Initiative beschränkt sich zudem auf Händlerbund-Mitglieder. Sie dient jedenfalls auch der Steigerung des Umsatzes betreffend Schutzpakete des Händlerbundes. Rechtliche Wirkung hat sie nach der oben dargestellten Rechtsprechung nicht einmal dann, wenn sich zufälliger Weise zwei Händlerbund-Mitglieder wettbewerbsrechtlich gegenüberstehen. Ob die Initiatoren der „FairCommerce“-Initiative als Konsequenz aus dem Beschluss des OLG Hamburg nun beim Verkauf ihrer Schutzpakete darauf verweisen werden, dass sie die Hoffnungen der Händler, von Abmahnungen (teilweise) verschont zu bleiben, leider nicht erfüllen zu können, muss abgewartet werden.