Der Kläger, ein Wirtschaftsverband der Online-Unternehmer, nahm die Beklagte, Betreiberin eines Webshops für Textilhandel, auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem im Jahre 2018 nach einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung (Verstoß gegen die EU-Textilkennzeichnungsverordnung) geschlossenen Unterlassungsvertrag in Anspruch. Im März 2021 stellte der Kläger Verstöße gegen die Unterlassungsvereinbarung fest und verlangte von der Beklagten Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR, die er nach ausgebliebener Zahlung vor dem LG Oldenburg einklagte. Im Klageerwiderungsschriftsatz erklärte die Beklagte die Anfechtung ihrer Unterlassungserklärung und die hilfsweise Kündigung. U. a. war sie der Meinung, der Kläger handele rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), indem er trotz fehlender Eintragung in die Liste des § 8b UWG noch Vertragsstrafe einfordere. Der Kläger erweiterte daraufhin die Klage auf Feststellung, dass der Unterlassungsvertrag nicht beendet wurde, sondern fortbesteht. Das LG Oldenburg (Urteil vom 24.02.2022, Az. 15 O 1561/21, rechtskräftig) gab der Klage statt. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 3.000,00 EUR nebst Zinsen und stellte den Fortbestand des Unterlassungsvertrages mit nachfolgendem Tenor fest:
„Es wird festgestellt, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten wirksam zustande gekommene Unterlassungsvertrag vom 15.03./04.04.2018 weder durch die Kündigungserklärung der Beklagten mit Schriftsatz vom 13.01.2022 in diesem Rechtsstreit noch durch die erklärte Anfechtungserklärung der Beklagten mit Schriftsatz vom 13.01.2022 in diesem Rechtsstreit beendet wurde, sondern fortbesteht.“
Das LG Oldenburg wies den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zurück und wies insofern auf die Bedeutung des § 15a Abs. 1 UWG (Übergangsregelung) hin, aus der sich ergibt, dass der zuvor geschlossene Unterlassungsvertrag nach altem Recht zu beurteilen ist:
„Dass der Kläger ggf. bislang nicht in die Liste der ‚qualifizierten Wirtschaftsverbände‘ beim Bundesamt für Justiz eingetragen ist, ist im Hinblick auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen die Vertragsstrafe ohne Relevanz. Zum einen ist die streitbefangene Unterlassungsvereinbarung, aus der die Vertragsstrafe geltend gemacht wird, zu einer Zeit abgeschlossen worden als § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. nicht in Wirkung war, zum anderen ist das hiesige Verfahren vor dem 01.09.2021 rechtshängig gewesen (vgl. § 15 a Abs. 1 UWG n.F.).“
Im Übrigen ging das LG Oldenburg davon aus, dass sich aus dem noch fehlenden Listeneintrag auch kein Kündigungsgrund ergibt:
„Die Klage ist auch mit dem (Zwischen-)Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet. Der Unterlassungsvertrag vom 15.03./04.04.2018 besteht fort (zur Anfechtung, vgl. oben). Er ist auch nicht wirksam gekündigt. Zwar kann ein Unterwerfungsvertrag, der auf einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung beruht, aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Eine solche rechtsmissbräuchliche Abmahnung liegt hier jedoch nicht vor.“
Nach der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung können „Alt-Unterlassungsverträge“ nicht wegen noch ausstehender Listeneintragung (§ 8b UWG) gekündigt werden und steht der Geltendmachung verwirkter Vertragstrafen insofern auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen (LG Flensburg (Urteil vom 03.11.2023, Az. 6 HKO 26/22; rechtskräftig nach Berufungsrücknahme vor dem OLG Schleswig, Az. 6 U 50/23; LG München II, Urteil vom 17.11.2022, Az. 2 HK O 2028/20, rechtskräftig; LG Lübeck, Urteil vom 13.01.2022, Az. 13 HKO 39/21, rechtskräftig; zum Aufhebungsverfahren, § 727 ZPO, siehe LG Koblenz, Urteil vom 11.03.2022, Az. 4 HK O 79/16, rechtskräftig; ferner die Andeutungen des BGH im Beschluss vom 21.12.2023, Az. I ZB 42/23; das Urteil des OLG Hamm vom 30.05.2023, Az. I-4 78/22, mit gegenteiliger Ansicht, wurde durch Urteil des BGH vom 07.03.2023, Az. I ZR 83/23 kassiert).
Siehe ferner unsere Besprechungen: