Ein Arbeitnehmer hatte in einer von ihm angenommenen, tatsächlich aber nicht bestehenden „Notwehrsituation“ heimlich ein Streitgespräch mit seinem Vorgesetzten mittels seines Smartphones aufgenommen. Der Arbeitgeber erfuhr davon und erklärte die außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung. Es kam zu einem Kündigungsschutzverfahren. Erstinstanzlich gab das ArbG Koblenz (Urteil vom 24.11.2020, Az. 11 Ca 344/20) der Kündigungsschutzklage statt. Die Berufung des beklagten Arbeitgebers wies das LAG Mainz (Urteil vom 19.11.2021, Az. 2 Sa 40/21) zurück.
Nach Auffassung des Gerichts liege in der heimlichen Aufnahme eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Die konkreten Umstände des hitzig geführten Streitgesprächs begründeten keine besondere Notsituation. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei jedoch unverhältnismäßig. Als einen für den Arbeitnehmer sprechenden Umstand sah das Gericht insbesondere die Dauer der (bislang störungsfreien) Beschäftigung sowie die Möglichkeit der Umsetzung in eine andere Filiale der Beklagten an:
„Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch in der vom Kläger geschilderten Situation keine heimliche Gesprächsaufzeichnung gerechtfertigt war, hat sich der Kläger nach seiner unwiderlegten Einlassung zumindest über die Pflichtwidrigkeit seines Tuns geirrt.
Ein darin liegender – wenn auch vermeidbarer – Verbotsirrtum ist jedenfalls bei der Gewichtung der Pflichtverletzung zu berücksichtigen und lässt diese unter den dargestellten Besonderheiten des vorliegenden Falls in einem deutlich milderen Licht erscheinen (…).
Soweit der Kläger im Rahmen der von ihm gegen den Zeugen E. erhobenen Klage die Tonaufzeichnung des Gesprächs als Beweismittel angeboten hat, ist ggf. im gerichtlichen Verfahren zu entscheiden, ob dieses Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegt oder nicht.
Weiterhin ist bei der Interessenabwägung die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers zu berücksichtigen, die von der Beklagten seit dem 1. August 2002 anerkannt ist. Danach war das Arbeitsverhältnis (…) mehr als 17 Jahre störungsfrei verlaufen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist es der Beklagten zuzumuten, das langjährig bestehende sowie ansonsten über 17 Jahre störungsfrei verlaufene Arbeitsverhältnis fortzusetzen und den Kläger ggf. zur Vermeidung weiterer Konflikte mit seinem Vorgesetzten in eine andere Filiale zu versetzen.
Die außerordentliche Kündigung erweist sich mithin als unverhältnismäßig.“
Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sah das LAG Mainz aus den genannten Gründen als unwirksam an.
Der Fall zeigt, dass derjenige, der eine heimliche Tonaufzeichnung veranlasst, sich sorgfältig Gedanken über einen Rechtfertigungsgrund machen muss. Bei einer illegalen Tonaufnahme des Arbeitnehmers hat die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen in der Regel ein solches Gewicht, dass eine fristlose Kündigung in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer Glück, dass seine Sozialdaten (Beschäftigungsdauer) nach beiderseitiger Interessenabwägung den Ausschlag zu seinen Gunsten ergeben haben.